Update: Dieser und der folgende Beitrag werden demnächst unter Berücksichtigung des neuen Buches “Der Weg in den Ersten Weltkrieg – Das Deutsche Militär in der Julikrise 1914” von Anscar Jansen ergänzt – darin eine erste Analyse des bisher kaum bekannten Memorandums von Erich von Falkenhayn zur Lage 1914.


Folgender Beitrag: Moltkes Kriegsplan 1914


Vielleicht das berühmteste – und am meisten fehlinterpretierte militärische Dokument der Weltgeschichte – aber nicht, wie oft behauptet, die Blaupause für 1914 – ist das sogenannte “Große Memorandum” ( auch als “Schlieffen-Plan” bekannt), des deutschen Generalfeldmarschalls und Generalstabschefs Alfred Graf von Schlieffen – datiert auf 1905, dem Jahre seiner Pensionierung, aber wahrscheinlich erst 1906 fertiggestellt. Es war eine Denkschrift – eine militärpolitische Stellungnahme, die mehrmals das Thema der (Schlieffens Meinung nach) dringend nötigen Vergrößerung des deutschen Heeres behandelte – zu einer Zeit als ein Großteil des Budgets an die Flotte ging. Es war kein aktueller Aufmarsch-, geschweige denn ein Mobilisierungsplan. Link zur PDF – File

Dieses Bild zeigt 1914, nicht den Plan an sich, der lediglich durch die gestrichelten grauen Linien angedeutet wird.

Anmerkung des Verfassers: Der geneigte Leser möge bitte beachten Sie, dass dieser Beitrag das originale Große Memorandum des Grafen Schlieffen von 1905 behandelt – nicht was im Jahr 1914 passierte. “Was wäre, wenn” Betrachtungen a posteriori sind also in diesem Zusammenhang nicht hilfreich.

Die anvisierte Kriegsführung wurde auf beiden Seiten von offensiver Grundhaltung bestimmt – die Generäle glaubten, mit ausreichender Artillerieunterstützung jede Frontlinie durchbrechen zu können.

Der “Schlieffen-Plan” ist, wie jedes andere Dokument, in dem geschichtlichen Rahmen und Zusammenhang zu sehen, indem es entstand. Zwei Argumente sind hierbei besonders zu beachten: (1) Der Plan entstand aus einer bestimmten Tradition – der des preußischen Generalstabs, schnelle Feldzüge für begrenzte Ziele zu planen und durchzuführen, was 1866 und 1870/71 so gut geklappt hatte, und (2) niemand hatte eine Alternative. Holger Herwig, mit dem dieser Autor nicht unbedingt in allem übereinstimmt, argumentierte 2003 in dem Sammelband “The Origins of World War I”, Cambridge University Press, ISBN 0-521-81735-8, S. 155:

Den Kritikern von Schlieffen fehlte es jedoch an einer brauchbaren Alternative. Ihre Vision (oder Angst) eines zwischen sieben und dreißig Jahre andauernden Volkskrieges war inakzeptabel – für Kaiser, Generäle, das Parlament und die Nation. Das Zweite Reich war nicht das Dritte – eine totale Mobilisierung für totalen Krieg war für alle Anathema.
Würde man Schlieffens Blaupause eines kurzen Krieges für begrenzte Ziele – eine Strategie, die vor allem seit den Erfolgen von 1866 und 1870/71, tief in den preußischen militärischen Annalen verwurzelt war – a priori ablehnen, würde das die ganze Existenz und Berechtigung des Kriegshandwerks, wie Historiker Gerhard Ritter es nannte (und auf das der Generalstab so stolz war), ad Absurdum führen. Um es krass auszudrücken, müsse man folglicherweise zugeben, dass der gepriesene preußische Generalstab keine kurzen und erfolgreichen Vernichtungskriege mehr führen könne, was bedeuten würde, dass
Krieg an sich schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts keine gangbare Option mehr war. Für eine derart radikale Idee gab es in Deutschland nur wenige Abnehmer.

Also musste es Krieg sein. Nachdem der Erste Weltkrieg jedoch verloren war, wurde in verschiedenen Nachkriegswerken deutscher Offiziere, so von Hermann von Kuhl, Gerhard Tappen, Wilhelm Groener und einer Truppe von Historikern des Reichsarchivs unter der Regie des ehemaligen Oberstleutnants Wolfgang Förster, eine These oder Erzählung entwickelt, die in etwa besagte:

I. Dass, schon ab dem Jahre 1905, der ehemalige Chef des deutschen Generalstabs, Generalfeldmarschall Alfred Graf von Schlieffen, einen Operationsplan für den Krieg im Westen konzipiert hatte, der den Sieg so gut wie garantierte, und

II. Dass das Scheitern von 1914 das Unvermögen seines Nachfolgers als  Generalstabschef, Generaloberst Helmuth von Moltkes des Jüngeren war,  den Plan korrekt auszuführen, was zum Verlust des Weltkrieges führte.

Die  frühe Nachkriegsgeschichte hat die These ohne rechten Widerstand hingenommen, auf Treu und Glauben sozusagen – vielleicht weil der Sieg von 1870/71 viele Theoretiker davon überzeugte, dass was damals gelang, auch 1914 möglich sein müsste. Auf Treu und Glauben jedoch auch, weil der berühmte Plan nie zur Verfügung gestellt wurde – nicht ein Fitzelchen wurde veröffentlicht, das die Vorwürfe unterstützen könnte. Doch im Prinzip – so viel wurde bekannt – sah der Plan einen Angriff auf Nordfrankreich durch Belgien vor und eine darauf folgende Einkreisung und anschließende Belagerung von Paris vor, welche zu der französischen Kapitulation führen sollte – mehr oder weniger wie in der irreführenden West-Point Karte unten dargestellt:

Nachdem die meisten deutschen Militärarchive in den alliierten Bombardierungen des Zweiten Weltkrieges zerstört worden waren, wurde eine Kopie des verloren geglaubten Plans 1953 von dem deutschen monarchistischen Historiker Gerhard Ritter in den National Archives in Washington gefunden. Wie es sich herausstellte, hatte sich das ursprüngliche Dokument gar nicht in irgendeinem militärischen Archiv, sondern in des Grafen Hause befunden – im Nachlass seiner Töchter. Im Jahr 1958 veröffentlichte Ritter das Papier in englischer Sprache, mit einem Vorwort von B.H. Liddell-Hart, unter dem Titel „The Schlieffen Plan – Critique of a Myth“ bei Praeger, New York (die ursprüngliche deutsche Fassung war 1956 bei R. Oldenbourg, München, erschienen). [Keine ISBN Nummer oder Library of Congress – Karte für die englische Ausgabe verfügbar]

Warum ist das Dokument mit Vorsicht zu behandeln? Einige Hinweise: Das Memorandum beschreibt einen Krieg allein gegen Frankreich – keinen Zweifrontenkrieg einschließlich Russlands – und ohne britische Beteiligung. Der Plan setzt alles in allem 94 Divisionen ein – eine Zahl, die nie existierte (Moltke musste sich im Jahre 1914 mit 68 Divisionen behelfen, von denen einige Wachdienst an der Nordseeküste schoben und einige andere die Städte Maubeuge und Brüssel belagerten) – aber von entscheidender Bedeutung sind die zahlreichen logistischen und räumlichen Unmöglichkeiten des Plans. John Keegan analysierte sie gnadenlos in „The First World War“, Vintage Books 2000, ISBN 0-375-40052-4361, und ich darf seine Analyse ausführlich zitieren:

Ritters Buch – Kopie des Autors
Schlieffens Karte 1: Der Aufmarsch

Schlieffens mitternächtliche Haarspalterei hatte sich nicht zum Ziel gesetzt, einen exakten zahlenmäßigen Vergleich zwischen deutscher und französischer Truppenstärke zu liefern, sondern die maximale Kapazität der belgischen und französischen Straßennetze zu eruieren. Solche Berechnungen gehörten zu den Grundlagen der Ausbildung an den Kriegsschulen; wo Studenten aus vorbereiteten Tabellen die Länge von Marschkolonnen bestimmten  – neunundzwanzig Kilometer für ein Korps, zum Beispiel – um auf Straßenkarten zu messen, wie viele Truppen einen gegebenen Sektor mit welcher Geschwindigkeit passieren könnten.

Da zweiunddreißig Kilometer die Grenze eines Eilmarsches war,  wäre dies der maximale Vormarsch eines Korps auf einer einzigen Straße; aber das Ende einer neunundzwanzig Kilometer langen Säule würde sich am Ende des Tages immer noch nahe oder am Abmarschpunkt selbst befinden.

Gäbe es zwei parallel verlaufende Straßen, würden die Enden die halbe Distanz vorrücken, wenn vier, drei Viertel, und so weiter. Idealerweise würden die Einheiten eines Korps nicht als Kolonne, sondern in Linie nebeneinander voranziehen, sodass alle Mann am Ende des Tages zweiunddreißig Kilometer weiter ankämen; in der Praxis, wie Schlieffen selbst in einer Korrektur zugab, waren parallele Straßen bestenfalls alle ein bis zwei Kilometer auseinander zu finden.

Geplante Situation am 22. Tag – alle Korps nummeriert und alle Straßen proppenvoll …

Während sich seine große Kreisbewegung sich auf einer Front von dreihundert Kilometern mit etwa dreißig Korps nach vorn bewegte, würde jedes Korps nur über ungefähr zehn Kilometer Front zum Vorrücken verfügen, an denen es bestenfalls sieben parallele Straßen gäbe. Das war nicht genug, um der Nachhut zu erlauben, am Ende des Tages zur Vorhut aufzuschließen. Der Nachteil war nicht zu korrigieren; er verbot absolut jeden Versuch, mehr Truppen in den Radius des Rades zu pressen. Sie hätten keinen Raum zum Manövrieren, es gab einfach nicht genug Platz.

Hier kommen wir nun zu der Frage, auf welchen Straßen die sechs (nicht existenten) Ersatz-Corps, die wie der aufmerksame Leser bemerkt, plötzlich aus der Luft in Karte 3 erscheinen, nach Paris marschiert sind?

Am 31. Tag erscheinen plötzlich die (nicht existenten) sechs Ersatzkorps (d.h. 12 Divisionen, markiert in Grün), wie von Scotty hingebeamt, um Paris …

Es ist an dieser Stelle, dass der aufmerksame Leser des Großen Memorandum den Plan auseinanderfallen sieht: Karte 3 zeigt in keiner Weise, wie die neuen Korps sich „Paris, dem zentralen Stützpunkt der großen Festung, die Schlieffens Frankreich war“, überhaupt erreichen könnten, geschweige denn die Stadt belagern. Das Korps erscheinen einfach auf der Karte, ohne Hinweis darauf, wie sie den Stadtrand von Paris erreichen. Die „Kapazität der Bahn“ ist irrelevant; in Schlieffens Plan war die Eisenbahn nur dazu da, die Angreifer bis zur deutschen Grenze von Belgien und Frankreich zu bringen. Danach war es das weiterführende Straßennetz und die Stiefel der Infanterie, die die Geschwindigkeit des Vormarsches bestimmen würden.

Schlieffen selbst berechnete die durchschnittliche Marschleistung mit 12 Meilen (ca. 19 km) pro Tag. In der Krise vom August und September 1914, würden sowohl deutsche wie auch französische und britische Einheiten dies überbieten, manchmal Tag für Tag – das 1. Bataillon des Gloucestershire Regiments legte gemittelt sechzehneinhalb Meilen während des großen Rückzugs von Mons nach der Marne zurück, vom 24. August bis 5. September und schaffte dreiundzwanzig bzw. einundzwanzig Meilen am 27. und 28. August – aber Schlieffens Mittelwert war nicht weit von der Marke. Von Klucks Armee auf dem äußeren Flügel des großen Rades erreichte etwas mehr als 13 Meilen (ca. 21 km) pro Tag zwischen dem 18. August und 5. September 1914, über eine Entfernung von 260 Meilen (ca. 418 km).

Damit die „acht neuen Korps“, die Schlieffen als Clincher für seinen Plan brauchte, in die vorgesehene Position hätten gelangen können, hätten sie tatsächlich nicht nur schneller und weiter als benötigt marschieren müssen, was gegen alle Wahrscheinlichkeit spricht, aber dies entlang denselben Straßen zu tun die schon von anderen Korps besetzt sind ist eine einfache Unmöglichkeit.

Es ist daher nicht verwunderlich, im Text des Großen Memorandum des Autors´Geständnisse begraben zu finden wie, dass „wir zu schwach sind“, um den Plan zu einem Abschluss zu bringen und, in einer späteren Anmerkung, „auf solch einer verlängerten Linie noch größere Kräfte brauchen werden als wir bisher geschätzt haben.“ Er war in eine logistische Sackgasse gelaufen. Die Eisenbahnen würden die Truppen für sein großes Rad positionieren; die belgischen und französischen Straßen würden es ihnen ermöglichen, den Stadtrand von Paris in der sechsten Woche ab dem Tag der Mobilisierung zu erreichen; aber sie würden nicht in der notwendigen Stärke ankommen, um die entscheidende Schlacht zu gewinnen, wenn sie nicht von acht Korps begleitet wären – 200.000 Menschen – für die es keinen Raum gab. Sein Plan für den Blitzsieg war in sich selbst fehlerhaft – wurde aber dennoch zum Einsatz vorgemerkt.

In der ursprünglichen 1956er Ausgabe von Gerhard Ritter (siehe obiges Foto) sind die Karten an der Rückseite des Buchs gebunden und von geringer Qualität. Ich habe sie in die relevanten Teilen des Textes platziert und farbig gekennzeichnet, um dem Memorandum besser folgen zu können.

Das Problem des Plans, so wie er vorliegt, ist seine Interpretation. Nachdem der Praktiker Terence Zuber (ehemaliger Offizier der US Army und in Würzburg promovierter Historiker) ab 1999 in verschiedenen Veröffentlichungen argumentierte, dass der Plan eben nur eine Denkschrift sei, und es keine Anzeichen dafür gäbe, dass er jemals Grundlage von Manövern oder auch nur einer nachvollziehbaren fachlichen Diskussion war (im Gegenteil – in den 1990ern wurden Dokumente über die tatsächlichen Übungen, die sein Nachfolger Moltke bis 1914 abhielt, aus Beständen der ehemaligen DDR gefunden), gab es ein großes Geschrei der etablierten Historiker, weil nicht sein kann was nicht sein darf. Siehe Zuber, Terence, “The Real German War Plan 1904-14“, The History Press 2001, ISBN 978-0-7524-5664-5.

Es wurden eigens internationale Tagungen einberufen, um die Häresie zu unterbinden, jedoch macht Zuber’s Kritik, deren Eckpunkte man vielleicht am besten in dem Artikel der englischen Wikipedia nachlesen kann, durchaus Sinn. Das Problem der konservativen Gegenkritik- also des Status Quo – das leider praktisch nie angesprochen wird – ist, das man davon ausgehen müsste, dass der deutsche Generalstabschef bis 1905 sich Planungen hingab, die seit dem französisch-russischen Bündnis seit 1890 völlig unrealistisch waren – es würde keinen Einfrontenkrieg geben, worauf Terence Holmes ebenfalls hinwies.

Es wird argumentiert dass die Denkschrift die kurzzeitige militärische Schwächung Russlands nach der Katastrophe des russisch-japanischen Kriegs miteinbezieht. Dies ist jedoch eher irrelevant, da in diesem Krieg die Hauptverluste Russlands ihre Flotte betrafen, die die deutsche Marine sowieso nicht interessierte – die Hochseeflotte rüstete gegen England.

Das Hauptproblem der bisherigen Gegenkritik ist, dass sie eben die Geschehnisse von 1914 argumentiert – nicht wirklich das Memorandum von 1905 an sich. Das Militärgeschichtliche Forschungsamt (MGFA) hat 2007 “Der Schlieffenplan: Analysen und Dokumente“, editiert von Michael Epkenhans, Hans Ehlert and Gerhard P. Groß. Das Buch ist nun angekommen und wird ausgewertet und für die englische Version dieses Beitrags übersetzt. Es enthält auch vier großformatige Kartenblätter.

Erster Eindruck [Update 05.06.2019]: Das Problem des Kompendiums liegt wohl in der Organisation der zugrundeliegenden Konferenz vom 30. September bis 1. Oktober 2004. Der Grund für die Einberufung der Konferenz war die grundlegende Kritik von Terence Zuber gewesen – siehe oben. In der Durchführung wurde dies aber nicht zum Thema gemacht, sondern es erhielten verschiedene Teilnehmer die Gelegenheit, ihre eigenen Thesen zum “Schlieffenplan” vorzutragen – aber nicht, wie oben angesprochen, auf die Denkschrift von 1906 einzugehen, sondern ihre eigene, bisher unveröffentlichten Meinungen zu den Entwicklungen der deutschen Aufmarschpläne 1905 – 1914 bzw. den Geschehnissen von 1914 kund zu geben.

Man muss hier differenzieren: Als Zuber nach 2000 den Schlieffenplan als “Mythos” bezeichnete, meinte er nicht dass der Plan nicht existierte – die Denkschrift liegt ja vor – sondern er wies auf die Inkongruenz der Denkschrift (siehe John Keegan’s Analyse der taktischen Undurchführbarkeit und die “Geisterdivisionen”) mit der nach 1918 entwickelten Legende hin, dass Schlieffen einen perfekten Plan vorgelegt habe, den der jüngere Moltke nicht begriff, oder durch Planänderungen “verwässerte”.

Dieser Beitrag betrifft die Denkschrift von 1905/6, wie oben angeführt, nicht die Ereignisse von 1914 oder die Vorbereitungen und eventuellen Planungen unter Moltke. Dies war jedoch nicht das Thema der Konferenz. Annika Mombauer entwickelt Thesen zu etwas, das sie den “Moltkeplan” nennt, also zur Geschichte des immer noch unbekannten tatsächlichen Kriegsplans von 1914. Andere Beiträge behandeln die Situationen, Planungen und politischen Realitäten in Österreich-Ungarn (Günter Kronenbitter), Frankreich (Stefan Schmidt), Russland (Jan Kusber), Großbritannien (Hew Strachan), Belgien (Luc De Vos) und der Schweiz (Hans Rudolf Fuhrer und Michael Olsansky). Ungeachtet der Qualitäten dieser Beiträge stellt sich dabei die Frage der Relevanz.

Ein weiteres Kernproblem ist dass die Frage der Kriegsschuld, die grundsätzlich eine politische, keine militärische Frage ist, unauslöschlich mit der Diskussion vermengt wird – manchmal entsteht der unausgesprochene Eindruck “offensiv” wäre synonym mit “böse” oder “schuldig” und “defensiv” bedeute “gut”. Fakt ist dass alle Großmächte 1914 offensive planten und daher dürfte sich diese Frage im Militärbereich nicht stellen.

Die Kernthese Zubers war, dass der “Schlieffenplan” (in der Form der vorliegenden Denkschrift) kein tatsächlich durchführbarer Plan war und nichts dafür spricht, dass er tatsächlich die Grundlage für die Planung von 1914 bildete.

Ein weiteres schwerwiegendes Beispiel für die taktische Undurchführbarkeit des Plans, das John Keegan wohl aus Platzmangel ausließ, wäre die Umzingelung von Paris, wie geplant von der 1. Armee (und sechs nicht existierenden Ersatzkorps). Wenn wir einen Einschließungsring in der Linie Compiègne – Pontoise – Plaisir – Orsay – Évry – Brie-Comte-Robert zugrunde legen – siehe Grafik – bedeutet dies eine zusätzliche Frontlänge von über 400 Kilometern (zweiseitige Einschließungsfront wie in Alesia) ohne jede Flankensicherung oder Rückendeckung – die die Franzosen geradezu zu einer katastrophalen Einkesselung des Westteils einladen würde.

Angenommene Belagerungslinie von Paris
Das Risiko einer Einkesselung

Folgender Beitrag: Moltkes Kriegsplan 1914


(© John Vincent Palatine 2019)

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