Das Laboratorium von Catherine Monvoisin bzw. Montvoisin, née Deshayes
Titel: Mme. Brinvilliers beim Kauf des Giftes – Wasserfolter

Video (Englisch)


Der Hof des Sonnenkönigs Ludwig des Vierzehnten war bekannt als ein galanter Ort, in dem sich schöne Damen mit flexibler Moral durchaus Aufstiegschancen ausrechnen konnten, bis hinauf in die vornehmsten Betten des Landes. Allerdings war die Konkurrenz groß und verschiedene Damen mit achtbaren Reizen, aber wenig Geduld, entwickelten Strategien, die ihre pekuniären wie auch sozialen Umstände in möglichst kurzer Zeit verbessern sollten.

Eine dieser aufstiegshungrigen Damen war Marie Madeleine Marguerite d’Aubray aus einem ebenso reichen wie bekannten Adelsgeschlecht. Im Alter von 21 Jahren (1651) heiratete sie den Marquis Antoine Gobelin de Brinvilliers, einen reichen flämischen Wollhändler, mit dem sie fünf Kinder bekam. Über ihrem Ehemann lernte sie den windigen, aber charmanten, und permanent in Geldschwierigkeiten steckenden Halunken Monsieur Godin de Sainte-Croix kennen, mit dem sie eine anhaltende Affäre begann.

Maries Papa sah die Affäre gar nicht gerne und schaffte es, den Freund des Hauses für ein Jahr in die Bastille zu verbringen, wo der Hobbyalchemist Sainte-Croix offensichtlich einen Kollegen kennenlernte, der ihn in verschiedenen Kenntnissen der Toxikologie unterwies. Wieder auf freiem Fuße kehrte Sainte-Croix schnurstracks zu seiner Geliebten zurück, mit spezifischen Vorschlägen, wie die Gute sich möglichst rasch des Familienerbes bemächtigen könne. Im Weg standen sowohl ihr Vater als auch zwei Brüder und eine Schwester, mit denen sie sich leider das allfällige Erbe teilen müsste.

Die Brüder schieden rätselhafter Weise im Verlaufe des Sommers 1670 dahin, doch die misstrauische Schwester Thérèse d’Aubray begann sich der sorgfältigen Kontrolle ihres Essens zu widmen und blieb so am Leben, obwohl sie noch vor der späteren Verurteilung ihrer lieben Schwester starb, aber wohl aus natürlichen Gründen. Die Obduktionen der Brüder ergaben zwar durchaus Hinweise auf Giftmord, aber Marie hatte natürlich immer ein Alibi und der betreffende Diener der Brüder, ein gewisser Jean Stamelin, genannt La Chaussée (“der Weg”), war über jeden Verdacht erhaben.

Es kam nur durch einen Zufall heraus. Ihr Liebhaber starb bei einem verunglücktem Experiment in seinem eigenen Labor, vermutlich durch das Einatmen giftiger Gase. Da er, wie immer, stark verschuldet war, wurde sein Nachlass gerichtlich geprüft, wobei eine Kassette auffiel, welche nicht nur seine Schuldscheine, sondern auch jede Menge Gift enthielt, als auch die gesamte Korrespondenz der Liebenden.

Öffnung von Saint-Croixs Kassette

Die nachfolgenden Ermittlungen führten rasch zur Festnahme, inklusive Prozess, Folter und Hinrichtung des Dieners, während Marie ins Ausland floh, zuerst nach England, dann nach Lüttich, in ein Kloster. Nach ihrer Auslieferung wurde sie ab 16. Juli 1676 erst der Wasserfolter unterzogen (siehe Titelbild), dann verschiedenen anderen gymnastischen Übungen und am Ende zum Tode auf dem Schafott verurteilt. So weit, so gut.

Geistliche und weltliche Befragung und Folter von Mme. Brinvilliers

Mittlerweile hatten jedoch eine Reihe von merkwürdigen Todesfällen reicher Adeliger – oder zumindest der Klatsch darüber – den Verdacht des Hofes erregt. Kompliziert wurde alles durch die merkwürdige Tatsache, dass der Höfling Louis Henri de Pardaillan de Gondrin, Marquis de Montespan, sich öffentlich über seine Frau Françoise de Rochechouart de Mortemart, Marquise de Montespan, beklagte, die unter ihrem Künstler- oder Bettnamen Athénaïs gerade Louise de La Vallière, die offizielle Geliebte Ludwig des Vierzehnten, im königlichen Himmelbett abgelöst hatte. Schlimmer noch, er beschuldigte die Chefhofdame der Königin Maria Theresia von Spanien, Mme. Julie d’Angennes, die Verbindung aus eigennützigen Motiven eingefädelt zu haben.

Louise de la Vallière
Porträts der Marquise de Montespan, Mätresse von Ludwig XIV

Die Sache war, dass sich normalerweise die Ehemänner der königlich ausgewählten Damen nicht darüber beschwerten, was sie nicht ändern konnten, sondern versuchten, aus den obwaltenden Umständen die jeweils bestmöglichen Vorteile für ihre eigenen Karrieren zu ziehen. Montespan aber war so sauer, dass er nicht nur den König öffentlich zum Duell forderte, sondern auch Ludwigs Kutsche mit Hirschgeweihen dekorierte, was ihn prompt ins Gefängnis brachte. Später wurde er exiliert, aber er gab nicht auf. Verbotenerweise reiste er nicht nur jeden Sommer zwischen 1670 und 1686 nach Paris, sondern gab auch eine jährliche Totenmesse für seine (quicklebendige) Frau in Auftrag, und zwang die beiden Kinder, an einem getürkten Begräbnis teilzunehmen. Auch verkündete er öffentlich und nicht nur einmal, dass seine Frau sich den König mit Zaubertränken und Schwarzen Messen gefügig gemacht hatte.

Louis XIV

Obwohl Louis XIV in seinem persönlichen Katholizismus das sechste Gebot zu übersehen pflegte und mindestens siebzehn Kinder in die Welt setzte, konnte ein katholischer Monarch solche Beschuldigungen natürlich nicht auf sich sitzen lassen, ob ihm nun Mme. Montespan sechs Kinder gebar oder nicht. Der Marquis wurde bezichtigt, im Dienst des Gottseibeiuns persönlich zu stehen, und der schwer genervte König hetzte seine Bluthunde auf ihn.

Versailles

Aber Ludwig brauchte einen Vorwand, damit es nicht wie persönliche Verfolgung aussah – was es natürlich war. Da im Gefolge des sensationellen Prozesses der Mme. Brinvilliers sowieso alle Gänge des Hofes mit Gerüchten über Giftmorde widerhallten, setzte er eine offizielle Kommission und Sondergericht ein, eine erneute Chambre ardente, die schon seinen seligen Kollegen Franz I, Heinrich II und Franz II göttliche Dienste bei der Verfolgung von Ketzern geleistet hatte. Passenderweise wurde die Kammer diesmal Cour de Poison („Gift-Gerichtshof“) genannt.

Zur Abwechslung war es diesmal die offizielle Aufgabe, den vermuteten Satanismus zu bekämpfen, der, so die populäre Annahme, seine Anhänger zu den ebenfalls vermuteten Giftmorden trieb (eventuelle finanzielle Interessen wurden offiziell ausgeblendet). Die üblichen Verdächtigen waren meistens – aber nicht nur – Frauen; Wahrsagerinnen, Spiritisten, Apotheker, Giftmischer und Hersteller von Liebestränken.

Der französische Polizeipräfekt Gabriel Nicolas de la Reynie wurde beauftragt, die satanistische Verschwörung zu zerschlagen. Etwa vierhundert Verdächtige wurden verhört und durch den enthusiastischen Einsatz der Folter wurden zahlreiche Geständnisse erzielt. Jeder schwärzte jeden an, es war eine echte Gaudi.

Philipp von Orleans. der Bruder von Ludwig XIV, trifft den Teufel persönlich anlässlich einer Party bei Catherine Deshayes

Aber plötzlich gab es eine echte Spur. Eine Verbindung der Mätresse – dünn zwar – konnte hergestellt werden zu einer wohl echten Massenmörderin und Giftmischerin, der berühmten Catherine Monvoisin (auch genannt “La Voisin”), die Reynie schon vorher aufgefallen war. Im Fall von Mme. Montespan, die ja immerhin die offizielle königliche Mätresse war, dachte der Polizeipräsident zwar weniger an Gift, aber den Erwerb von Liebestränken, um des Königs Gunst zu erhalten, hielt er für möglich – eventuell bräuchte es zu deren Herstellung sogar schwarze Messen – wer wusste das schon so genau?

Catherine Monvoisin bzw. Montvoisin, née Deshayes

Im Zuge seiner Ermittlungen hatte Reynie bereits zwei Wahrsagerinnen hochgenommen, die Mme. Monvoisin beschuldigten. Die Dame erwies sich als ein Volltreffer. Es konnte einigermaßen zuverlässig festgestellt werden, dass sie tatsächlich einen Kundenkreis hatte, der bis in den Hochadel reichte.

Erkundigungen in der Nachbarschaft der umtriebigen Dame erbrachten schnell, dass sie wahrsagte, Horoskope erstellte, Schadenzauber (Schwarze Magie) betrieb, tatsächlich Gifte und Liebeszauber verkaufte und auch Abtreibungen vornahm. In ihrem Garten stand eine Kapelle, in der Dämonen wie Astaroth und Asmodaeus angebetet wurden. Diesen schwarzen Messen wohnte ein illustrer Kundenkreis bei, dem Höflinge, auch Prinzessinnen und sogar der Scharfrichter von Paris selbst angehörten. Peinlicherweise trug eine der außerhalb wartenden Kutschen das Wappen der königlichen Mätresse und bald konnte die Polizei Besuche der Montespan schon seit 1665 nachweisen.

Illustration einer Schwarzen Messe aus “Justine” von Marquis de Sade

Unbestätigt, aber von mehreren Zeugen behauptet, ist, dass bei diesen Zeremonien sich Madame de Montespan nackt auf einen Altar gelegt habe, während man ihre Bitten um die Gunst des Königs an den christlichen Gott und die Götter der Unterwelt weitergab. Sie soll dem Priester Guibourg erlaubt haben, eine Hostie in ihre Vagina einzuführen und dann mit ihr Geschlechtsverkehr zu haben, derweil er betete. [Beschreibung der Messe] [PDF] Die Tochter der Monvoisin bestätigte die Messen sowohl auch den Verkauf von Liebestränken, aber diese Aussagen wanderten umgehend in den Geheimschrank des Polizeipräfekten.

Catherine Monvoisin und der Priester Étienne Guibourg zelebrieren eine Schwarze Messe für Madame de Montespan (auf dem Altar liegend), die Mätresse von Ludwig XIV – von Henry de Malvost, 1895

Es kam bald schlimmer. Grabungen auf dem Grundstück der Monvoisin förderten die Überreste von über 2500 abgetriebenen, tot-, früh- oder neugeborenen Säuglingen ans Tageslicht.

Hinrichtung der Catherine Monvoisin
Madame de Sévigné

Dass Mme. Monvoisin fällig war, war klar – aber zuerst musste die königliche Großzügigkeit die unschuldigen, d.h. adeligen, Beiwohner der Messen entlasten – ihre Namen wurden von den Listen gestrichen und es wurden ihnen ausgedehnte Urlaube – am besten im Ausland – angeraten.

Madame de Sévigné war Zeugin der Hinrichtung von La Voisin und schrieb in ihren Briefen: „Vor Notre-Dame hat sie sich geweigert, Abbitte zu leisten, und auf dem Place de Grève sich mit Händen und Füßen dagegen gewehrt, auszusteigen. Man zog sie heraus und brachte sie auf den Holzstoß, band sie in sitzender Stellung mit eisernen Ketten fest, bedeckte sie mit Stroh. Sie fluchte drauflos, stieß das Stroh fünf- oder sechsmal weg, aber schließlich loderte das Feuer auf, und sie ward nicht mehr gesehen. Ihre Asche fliegt jetzt in der Luft herum. So starb Frau Voisin, berühmt für ihre Verbrechen und ihren heidnischen Unglauben.“ [Quelle]

Eine weitere Mätresse Ludwigs und Konkurrentin, die schöne Marie Angélique de Scoraille de Roussille (siehe oben), starb ebenfalls plötzlich. Gerüchte belasteten Mme. de Montespan und Reynie ermittelte tatsächlich gegen sie. Aber verschiedene einflussreiche Höflinge verhinderten eine Anklage, darunter Françoise d’Aubigné, Marquise de Maintenon, meistens Madame de Maintenon genannt (mit der Ludwig später sogar eine heimliche, morganatische Ehe einging), die Erzieherin der königlichen Kinder der Montespan. Doch nach dem Tode der schönen Angélique fiel Montespan bald in Ungnade.

Françoise d’Aubigné, Marquise de Maintenon (1635-1719)

Langsam verlief die Giftaffäre im Sande – die letzte Hinrichtung erfolgte 1683. Reynie wurde nahegelegt, seine Ermittlungen abzuschließen – er war wohl dem königlichen Wohlbefinden zu nahe gekommen. Was blieb, war ein neues Gesetz, das den Verkehr mit Giften regelte und weltweit zum Vorbild wurde. Die Wahrsagerei wurde in Frankreich verboten und eine Erlass von 1682 endete die Hexenprozesse.

Ab 1686 war Ludwig, erst durch die Formierung der Liga von Augsburg, und dann durch den Pfälzer– und später den Spanischen Erbfolgekrieg, einigermaßen beschäftigt und die Angelegenheiten des Hofes verloren an Bedeutung. Der König lebte seine Jahre mehr und mehr mit der Marquise de Maintenon im Schoße seiner Familie aus.

Louis XIV mit Mme. de Maintenon und Familie, Nicolas de Largillière zugeschrieben

(© John Vincent Palatine 2015/19)

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