Alexander von Kluck mit dem Stab der Ersten Armee
Alexander von Kluck mit dem Stab der Ersten Armee

Aus “The Little Drummer Boy“, Kapitel XVIII, ‘De Bello Gallico

Die Eröffnungsschlachten des Großen Krieges hatten deutlich gemacht, dass dieser Konflikt der Industrienationen keine Ähnlichkeit hatte mit dem kurzen, siegreichen und ehrenvollen Krieg, den Patrioten bejubeln wollten und die Generäle versprochen hatten. Nicht nur hatten die letzteren, in jedem Land, die Ausgaben des modernen Krieges in Bezug auf Munition, Ausrüstung und Proviant ernsthaft unterschätzt, es wurde bald erschreckend klar, dass im Zeitalter des mechanisierten Kriegs Angriffe von Infanterie über weit offene Felder direkt in die Läufe von Maschinengewehren und Artillerie Verluste in Zahlen produzieren würden, die nie zuvor gesehen worden waren. Giftgas wurde bald zu einer weiteren schrecklichen Option um Leid zu produzieren.
Einer der großen Kontraste, die dieser Krieg produzieren würde, war der von Jung und Alt. Während die Industrieländer Europas ihre junge Männer im Alter von zwanzig Jahren oder weniger ins Feld schickten, waren die befehlshabenden Generäle des großen Krieges in geradezu biblischem Alter.

Im Jahre 1914 waren auf der deutschen Seite Moltke 66 Jahre alt, Hindenburg 67 und Kluck und Bülow beide 68. Auf der Seite der Alliierten, Joffre und Sir John French 62 und Gallieni 68. Ihr fortgeschrittenes Alter war nicht ein Resultat des Zufalls, sondern der Ausdruck des Vorkriegsglaubens an die “Erfahrung” als den herausragenden Wert in dem, was Stefan Zweig vor dem Krieg die “Welt der Sicherheit‘ nannte.

Diese alte Welt, alle ihre Gedanken nur auf den Fetisch der Sicherheit gerichtet, liebte die Jugend nicht; sie misstraute ihr ständig. … Österreich war ein altes Land, von einem alten Kaiser beherrscht, von alten Ministern regiert; ein Staat ohne Ehrgeiz, der sich alleine durch Gegnerschaft zu allen radikalen Veränderungen unversehrt im europäischen Rahmen zu erhalten hoffte. …
Es entstand also die Situation, unverständlich heute, dass Jugend ein Hindernis in jeder Karriere war und Alter alleine von Vorteil. Während heute, in unserer veränderten Situation, die vierzigjährigen suchen wie dreißig auszusehen, und die Sechzigjährigen vom Wunsch beseelt sind wie vierzig zu erscheinen, und Jugend, Energie, Entschlossenheit und Selbstvertrauen einen Mann empfehlen und hervorheben, war in diesem Zeitalter der Sicherheit jeder gezwungen, sich durch alle denkbaren Methoden zu tarnen; zu versuchen, älter zu erscheinen.
Die Zeitungen empfohlen Zubereitungen, die das Wachstum des Bartes beschleunigen sollten, und vierundzwanzig oder fünfundzwanzig Jahre alte Ärzte, die gerade mit ihren Prüfungen fertig waren, trugen mächtige Bärte und goldene Brillen, auch wenn ihre Augen sie keineswegs brauchten, sodass sie den Eindruck von „Erfahrung“ auf ihre ersten Patienten machen konnten. Die Männer trugen lange schwarze Gehröcke, gingen in gemächlichem Tempo, und demonstrierten, so immer möglich, einen leichten Embonpoint; erworben, um die gewünschte Gesetztheit zu verkörpern; und die ehrgeizigen suchten, zumindest nach außen hin, ihrer Jugend Lügen zu strafen, da alle jungen Menschen der Instabilität verdächtigt wurden.

Wie zu erwarten, kam es niemand in den Sinn, dass dies der erste mechanisierte Weltkrieg für jeden war, sowohl Gefreite als auch Generäle.
Aber solange die Generäle auf beiden Seiten darauf bestanden, ungeschützte Männer über offene Felder zum Angriff auf andere Männer zu hetzen, die in geschützten und durch Stacheldraht und Schnellfeuerwaffen verteidigten Stellungen saßen, würden sich Opfer anhäufen. Dies war „die einfache Wahrheit der Grabenkämpfe von 1914 bis 1918.“ Was die Soldaten besonders wurmte, war die olympische Unnahbarkeit, die von einigen der wichtigsten Kommandeure demonstriert wurde.

Paul von Hindenburg und Erich von Ludendorff
Paul von Hindenburg und Erich von Ludendorff

Die teilnahmslosen Ausdrücke der Generäle, die von zeitgenössischen Fotografien auf uns zurückblicken, sprechen nicht von Gewissensbissen angesichts des Abschlachtens, über das sie den Vorsitz führten, noch von gespieltem Bedauern über die Umstände, in denen sie zu leben pflegten: das von der Front weit entfernte Schloss, die polierten Ordonnanzen, die glitzernden Kraftfahrzeuge, Begleitkavallerie; regelmäßige Routine, schwere Abendessen, die ununterbrochenen Stunden des Schlafes; Joffres zweistündige Mittagessen, Hindenburgs Zehn-Stunden-Nächte, Haigs therapeutische Tagesritte entlang gesandeter Straßen – auf dass sein Pferd nicht fehltrete – STAVKAs Diät aus Champagner und Hofklatsch, all dies schien, und war tatsächlich eine ganze Welt weit weg von den kalten Rationen, nassen Stiefeln, dreckigen Uniformen, überfluteten Gräben, verrotteten Unterkünften und der Läuseplage – Umständen unter denen, zumindest im Winter, ihre Untergebenen leben mussten.

Es ist unvermeidlich – früher oder später sucht der Soldat diejenigen zur Rechenschaft zu ziehen, die für die Bedingungen, denen er nicht nur durch den Feind, sondern auch durch seinen eigenen Vorgesetzten ausgesetzt ist, verantwortlich sind. Alle drei der frühen C-in-Cs der Westfront 1914 wurden eventuell abgelöst, Moltke schon im September 1914 [sein Nachfolger Falkenhayn am Ende des Jahres 1916, ¶], Sir John French im Dezember 1915, und Joseph Joffre wurde im Dezember 1916 wegbefördert, auf die ehrenvolle aber hohle Position eines „Marechal de France“.

Hindenburgs letzte Sünde

Leider neigten auch ihre Nachfolger nicht dazu, sich altersmäßig oder hinsichtlich geistiger Frische besonders hervorzuheben. Die britische Presse nannte das Britischen Expeditionskorps „Löwen, angeführt von Eseln“, und niemand hielt die Generäle für die Löwen. Krieg, so hatte Yeats paraphrasiert, ist „kein Land für alte Männer“, aber der Erste Weltkrieg war es, über den größten Teil seiner Dauer.

(© John Vincent Palatine 2015/19, Zitate etc. siehe The Little Drummer Boy, Kapitel XVIII und Anhänge)

Aufrufe: 865