Historia Occidentalis

Ein Magazin zur Zentraleuropäischen Geschichte

Schlagwort: USPD

Das Massaker des John J. Pershing

US Infanterie im Angriff …

Vorhergehender Artikel: Foul Play mit Vierzehn Punkten

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Zwar gelang es der deutschen Armee noch, den Fortschritt der Alliierten Offensiven Ende Oktober zu verlangsamen, aber es war klar, dass dieser Widerstand den nächsten und letzten Akt des Dramas nur verzögerte: irgendwann wäre der Knackpunkt erreicht. Im Fall der Fälle war es des Kaisers Lieblingsspielzeug, die Hochseeflotte.

In diesem Todeskampf des Deutschen Reiches nahmen zwei Gruppen in der deutschen Marine die Sache in ihre eigenen Hände, zuerst die Admirale und danach die Matrosen. Die U – Boot Waffe war auf Anker gelegt worden, aber die Hochseeflotte blieb eine potenziell starke Macht. Erbost über die U-Boot – Entscheidung, beschlossen Scheer und die Seekriegsleitung, die Überwasserschiffe in einer letzten Offensive zu verwenden, und planten eine neue Variante der früheren erfolglosen Versuche , die Grand Fleet über einen U-Boot – Hinterhalt zu locken. Der Unterschied war diesmal, dass die Deutschen beabsichtigten, diese Schlacht auch durchzuziehen , sobald die U-Boote es geschafft hatten, die numerische Überlegenheit der Grand Fleet zu reduzieren.

Ob die Hochseeflotte die geplante Schlacht nun gewinnen oder verlieren werde, war nicht die große Sorge der deutschen Admirale; sie wollten der Grand Fleet zumindest schwere Schäden zufügen. Hipper stimmte mit Scheer überein, dass „ein ehrenvoller Kampf – auch wenn es ein Kampf auf Leben und Tod sein sollte – die Saat für eine neue, zukünftige deutsche Flotte legen würde.“ Neben der Bewahrung dieser [offensichtlich kostbaren] Ehre, könnte eine Schlacht, die der Grand Fleet schwere Schäden zufüge, auch einen günstigen Einfluss auf die Friedensverhandlungen mit Deutschland haben. (42)

Geheimgehalten vor der Reichsregierung, wollte der Plan alles, was schwamm, in den Einsatz gegen die Royal Navy zu schicken: achtzehn Schlachtschiffe vom  Dreadnought-Typ, fünf Schlachtkreuzer, zwölf leichte Kreuzer und zweiundsiebzig Zerstörer. Der taktische Plan war es, den Grand Fleet dazu zu verlocken, die Hochseeflotte über eine Barrikade von Minen und U-Booten hinweg zu verfolgen, welche die britische Übermacht genug verringern würden, den Deutschen zu ermöglichen, die Schlacht zu gewinnen oder glorios unterzugehen. Um die Aufmerksamkeit der britischen Admiralität zu fesseln, hatte Hipper, mittlerweile zum Flottenadmiral befördert, lokale Angriffe auf Häfen und Bombardements von Küstenstädten ins Auge gefasst. Eine spezielle Gruppe von Kreuzern und Zerstörern sollte die Briten aufschrecken, indem sie in die Themse-Mündung segelten und die örtliche Schifffahrt angriffen. Wenn die Grand Fleet nach Süden aufbräche, um die Belästigung zu beenden, stünden die Deutschen bereit. Scheer, jetzt oberster Marinebefehlshaber und Hipper hofften beide, dass „ ein taktischer Erfolg die militärische Position umkehren könne und die Kapitulation abwenden“. (43)

Der Plan

Dies war entweder bemerkenswerter Optimismus oder kompletter Irrsinn. Scheer genehmigte Hippers Plan am 27. Oktober und zweiundzwanzig U-Boote liefen aus, um eine Falle zu stellen. Der Rest der Flotte wurde im Jadebusen gesammelt, wo ihre unerwartete Anwesenheit Aufregung in Hülle und Fülle verursachte. Einige Fälle von Fahnenflucht waren bereits in Cuxhaven aufgetreten, und setzten sich unter den Besatzungen der Schlacht fort, die am 29. Oktober im Jadebusen ankamen. Dass die Konzentration aller großen Schiffe in einem Hafen nichts anderes als eine geplante Operation bedeuten konnte, war klar, und die Gerüchteküche bestätigte bald, dass der nächste Morgen den Befehl zum Ankerlichten bringen würde. Kein Seemann hatte Zweifel, warum. Die Besatzungen der Schlachtschiffe „König“, „Kronprinz Wilhelm“, „Markgraf“, „Kaiserin“‚ „Thüringen“ und „Helgoland“ hissten rote Fahnen und erklärten damit ihre Meuterei. „Die Seeleute auf den Schiffen hatten kein Interesse an einem ehrenvollen Tod für den Ruhm der Flotte; sie wollten ein Ende des Kampfes, Entlassung und die Erlaubnis, nach Hause zu gehen.“ (44)

SMS Thüringen war eines der ersten meuternden Schiffe

Gegen 22.00 Uhr am 29. Oktober fand Hipper die meisten Schiffe seiner Flotte außer Betrieb und als sich die Meuterei am nächsten Morgen auf den Schlachtschiffen „Friedrich der Große“ und „König Albert“ ausbreitete, musste das Auslaufen abgebrochen werden. Um weitere Unbotmäßigkeiten zu verhindern, ordnete Hipper an, die drei Schlachtgeschwader zu trennen und wieder in ihre Heimathäfen Wilhelmshaven , Cuxhaven und Kiel zurückzubeordern . „Thüringen“ und „Helgoland“ bewegten sich jedoch keinen Zoll weit, und Hipper rief ein Bataillon loyaler Marineinfanterie zu Hilfe, das die Besatzungen verhaftete, fesselte und einsperrte. (45)

Soldatenrat des Linienschiffes “Prinzregent Luitpold”.

Hippers Versuche zur Durchsetzung von Disziplin schürten das Feuer nur weiter und durch die Verschickung der Schlachtgeschwader in drei verschiedene Häfen war ihm eigentlich nur eine Weiterverbreitung der Meuterei gelungen. Als das dritte Geschwader am 1. November in Kiel ankam, wurden die Hunderte angeketteter Seeleute von viertausend rebellierenden Seemännern und Werftarbeitern begrüßt, die sich ihrerseits zu Waffen verholfen hatten, indem sie die gut sortierten Arsenale plünderten und die Freilassung der Gefangenen verlangten. Der nächste Tag sah die Errichtung von provisorischen Soldaten- und Arbeiterräten, einen Aufruf der Gewerkschaften zu einem Generalstreik, und 4. November die komplette Übernahme von Hafen und Stadt. Eine Bande von Meuterern versuchte, den kommandierenden Admiral, Prinz Heinrich von Preußen, Wilhelms Bruder, zu verhaften, der …

Matrosen in Kiel demonstrieren nach dem Aufstand 1918.

…  zur Flucht um sein Leben gezwungen wurde und sich hinter einem falschen Bart und einer roten Fahne auf seinem Auto versteckte. Trotzdem wurde das Auto verschiedentlich beschossen, der Fahrer schwer verletzt, und der Prinz gezwungen, das Steuer selbst zu übernehmen und sich schnellstens zur dänischen Grenze bei Flensburg abzusetzen. (46)

Auch die kleineren Schiffe wurden besetzt …

Bald entwickelten sich aus der zuerst lokalen Meuterei offene Aufforderungen zur Revolution, und so wie Küstenschiffe die Nachricht an die kleineren Hafenstädte weiterleiteten, breitete sich der Keim der Empörung per Eisenbahn über das ganze Land aus. Matrosen- und Soldatenräte übermittelten ihre Forderungen an die Bürger jeder Stadt , die sie betraten: einen sofortigen Waffenstillstand, die Abdankung des Kaisers und der Bildung einer neuen, demokratischen und republikanischen Regierung. Dennoch blieben die Nachrichten an vielen Stellen lückenhaft, und in dem Versuch, genau herauszufinden was in Kiel geschehen war, schickte Reichskanzler Prinz Max von Baden eine Delegation aus zwei Reichstagsabgeordneten dorthin: seinen Freund Conrad Haußmann und den ehemaligen Metzger und Journalisten Gustav Noske , einen Vertreter der Sozialdemokraten. Als die Abgesandten im Bahnhof der Stadt ankamen, wurden sie von einer großen Menge begrüßt, deren scheinbar revolutionäre Stimmung Noske überzeugte, eine improvisierte Rede zu halten, in der er im Wesentlichen den Zuhörern versprach, dass ihre Forderungen bald erfüllt werden sollten. Am selbigen Abend konnte er Berlin über die Details des Aufstandes informieren, hinzufügend, dass die Menge ihn zum revolutionären Gouverneur Schleswig-Holsteins gewählt habe. (47)

Die Revolution in Kiel

In der Zwischenzeit verschlimmerte sich das menschliche Leiden an der Westfront wesentlich durch die Rückkehr der sogenannten  Spanischen Grippe, die, trotz ihres Namens, ihren Ursprung wohl in Fort Riley, Kansas, zu haben schien. (48) [FN 1] Es war schon im Sommer zu einem frühen Ausbruch der Seuche gekommen, der die bereits geschwächten deutschen Linien etwa 400.000 Soldaten kostete und eine vergleichbare Zahl der Alliierten, aber der zweite Ausbruch erwies sich als weitaus ansteckender und tödlicher. Die Ankunft amerikanischer Truppentransporter brachte die Epidemie zu den großen Ausschiffungshäfen; die ankommenden Soldaten infizierten die Franzosen, die wiederum die Briten infizierten, und deren beide Kriegsgefangenen wiederum die Deutschen.

Soldaten aus Fort Riley in Camp Funston

[FN 1] Die Influenza – Epidemie von 1918/19 verdient zweifellos einen eigenen Blog – Eintrag. Bitte beachten Sie hier den Artikel in der Wikipedia.

Merkwürdigerweise schlug die Krankheit am schlimmsten bei den Stärksten zu, vor allem bei jungen Männern in ihren besten Jahren. Truppentransporter, beladen mit eng zusammen gepackten Männern, wurden zu schwimmenden Todesfallen. Ein amerikanischer Konvoi hatte bei seiner Ankunft in Brest am 8. Oktober, in der Mitte der Maas-Argonne-Offensive, 4.000 Menschen durch die Grippe verloren, wovon 200 bereits auf See bestattet worden waren. Zweihundert weitere Kranke von der USS Leviathan [der beschlagnahmten deutschen ‘Vaterland‘] starben innerhalb weniger Tage. …

Die Epidemie stellte ein Dilemma für Präsident Wilson dar. Da Militärlager für die Verbreitung der Infektion wie Gewächshäuser wirkten, wurde der Auftrag für die Einberufung von 142.000 Menschen im September abgesagt. Sollte er, fragte sich Wilson, auch die Einschiffung weiterer Truppen abbrechen?

Am 8. Oktober traf er sich mit dem ziemlich ruppigen Stabschef der Armee, General Peyton March , um ihn um seine Ansicht zu bitten. Beiden Männern war klar, dass Soldaten in die überfüllten Schiffe zu stopfen ein Todesurteil für Tausende von ihnen bedeutete. Aber Pershing forderte verzweifelt Ersatz an, zumal 150.000 seiner Männer mit Grippe ausgefallen waren. Nur zwei Tage vor dem Treffen Wilsons und Marchs hatte Prinz Max seinen Friedensappell an den Präsidenten gemacht. Wilson und March wussten, dass weitere Verschiffungen, die im Moment auf durchschnittlich 50.000 wöchentlich angeschwollen waren, der sicherste Weg waren, Deutschland zu besiegen. Wie würden die Deutschen reagieren, wenn sie eine Verminderung dieses Drucks erkannten, falls die amerikanische Arbeitskraft-Pipeline geschlossen wurde? March sagte Wilson „Jeder Soldat, der [an der Influenza] stirbt, hat sicherlich genauso seinen Teil zum Krieg beigetragen wie sein Kamerad, der in Frankreich gestorben ist. Der Versand der Truppen darf auf keinen Fall gestoppt werden.“ Die Truppentransporter fuhren weiter. (49)

Am 27. Oktober teilte Prinz Max Präsident Wilson mit, dass alle seine Forderungen erfüllt werden würden. Technisch gesehen war es natürlich nicht seine eigene Entscheidung , sondern die seines Vetters Wilhelm, aber Max hatte vorsichtigerweise unterlassen, den Kaiser von der Klausel in Wilsons Demarche vom 23. Oktober zu informieren, die die Abschaffung der Monarchie zu fordern schien. Diese – besondere – Brücke würde er überqueren, wenn es der Moment erforderte. Als die Türkei am 30. Oktober um einen Waffenstillstand bat und Österreich am 4. November, fand sich Deutschland im Krieg allein. Die Front hielt noch, wie durch ein Wunder, aber in der Luft hing der Geruch nach Revolution. Am 29. Oktober verließ Wilhelm Berlin in Richtung des Oberkommandos in Spa, in dem fragwürdigen Glauben, dass seine Präsenz in der Nähe der Front den Mut der Soldaten heben würde. Aber es war die Abwesenheit, nicht die Gegenwart, der Person des Kaisers, die eine Art rebellischer Entelechie in der Hauptstadt freisetzte, und die endgültige, entscheidende und irreparable Auflösung des Ancien Régime nach sich zog.

„Die Roten strömen mit jedem Zug aus Hamburg nach Berlin hinein“, schrieb Graf Harry Kessler, eine Persönlichkeit des öffentlichen Lebens, Diplomat und Sozialdemokrat, in sein Tagebuch am 6. November. „Ein Aufstand wird hier für heute Abend erwartet. Heute morgen wurde die russische Botschaft überfallen wie eine anrüchige Kneipe und Joffe [der Botschafter] hat sich mit seinen Mitarbeitern abgesetzt. Jetzt sind wir quitt mit diesem bolschewistischen Zentrum in Berlin. Aber vielleicht müssen wir diese Leute doch noch zurückrufen.“ (50)

In der ersten Woche des Novembers wurde die Meuterei der Matrosen von der Unbotmäßigkeit vielen Garnisonen gefolgt, deren mangelnde Bereitschaft, den ungeliebten preußischen Staat zu unterstützen, öffentliche Aufstände erleichterte. Lokale Anarchisten, Spartakisten und Unabhängige Sozialdemokraten stritten sich über verschiedene Formen der Revolution, und Räte übernahmen die Verwaltung der meisten großen Städte. In der ersten Woche im November wurden Rote Fahnen durch die Straßen von Hamburg, Bremen, Köln, DuisburgFrankfurt und München getragen. Aber es war eine merkwürdig stille Rebellion, die durch die Straßen zog – alle Berichte stimmen darin überein; Gewalt, ja sogar leidenschaftliche Diskussionen waren seltsam abwesend. Das jedoch änderte sich schnell genug. Der Spartakusbund,  deutsche Bolschewisten in Verkleidung, hatten unauffällig während der ersten Woche im November ihre Anhänger in der Hauptstadt konzentriert, während ihre Führer, Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg, die deutsche Revolution vorbereiteten.

Karl Liebknecht predigt die Revolution …

Liebknechts Vater Wilhelm war ein persönlicher Freund von Karl Marx gewesen und erreichte sozialistische Heiligsprechung als Mitbegründer der SPD und Herausgeber der Parteizeitung „Vorwärts“. Sein Sohn studierte Jura und Wirtschaft in Leipzig und Berlin, bevor er im Wesentlichen als Anwalt für die sozialistische Bewegung tätig wurde. Er wurde 1912 für die SPD in den Reichstag gewählt und war das einzige Mitglied des sozialistischen Lagers, das im August 1914 gegen die Kriegskredite stimmte. Als ihm klar wurde, dass der Rest der Partei zumindest vorübergehend die Regierung und damit den Krieg unterstützen würde, begann Liebknecht nach Sympathisanten außerhalb der Partei zu suchen.

Zu diesem Ziel gründete er den „Spartakusbund“, die Liga des Spartakus, benannt, natürlich, nach dem thrakischen Sklaven Spartacus, der den Aufstand gegen Rom von 72 bis 70 BC angeführt hatte. Die „Spartakusbriefe“, die Antikriegszeitung der Liga, wurden ziemlich bald verboten, und ihr Gründer und Herausgeber fand sich an der russischen Front wieder, wo er sich zu kämpfen weigerte und schließlich einem Beerdigungskommando zugeteilt wurde. Gesundheitlicher Gründe halber aus dem Dienst entlassen, ging er wieder direkt zur Antikriegspropaganda zurück und leitete die sozialistische Friedensdemonstration am Maifeiertag 1916 durch die Straßen Berlins. Dieses Mal wurde er für vier Jahre wegen Hochverrats ins Gefängnis geworfen, aber bald aufgrund Prinz von Badens Amnestie für politisch Gefangene im Oktober 1918 begnadigt. Sobald er zurück auf den Straßen war, nahm er „seine Führung des Spartakus, in Partnerschaft mit den polnischen Aktivistin Rosa Luxemburg“ wieder auf. (51)

Rosa Luxemburg

Frau Luxemburg war schon früh als Lehrling in das Geschäft der Anzettelung von  Aufständen eingetreten; sie war in den illegalen sozialistischen und anti-zaristischen Bewegungen Vorkriegs-Russlands aktiv gewesen, seitdem sie eine Schülerin war. (52) Rechtzeitig der Aufmerksamkeit der Ochrana entronnen, fand sie sich in der Schweiz wieder, wo ein wohlhabenden Liebhaber ihr ein Studium an der Züricher Universität ermöglichte und half, die illegalen sozialistischen Parteien in Polen und Litauen zu unterstützen. Sie war vielleicht die extremste sozialistische Aktivistin außerhalb Russlands in diesen Jahren und befürwortete die globale und rücksichtslose Revolution. Sie wurde Deutsche per Heirat im Jahre 1903, trat der SPD bei, und fing an, ihr politisches Gewicht hinter den radikalen Flügel zu stellen. Schließlich wurde sie als Faktotum der Weltrevolution bekannt und regelmäßig ins Gefängnis geworfen, von ihrer alten Schweizer Flamme gerettet und wieder eingesperrt. Sie tat sich mit Liebknecht unmittelbar nach ihrer Freilassung durch von Badens Amnestie zusammen und begann die revolutionäre Bürokratie des Spartakusbunds zu organisieren.

Dieses giftige Pärchen, wie Lenin und Trotzki in Russland, sah die gemäßigten Sozialisten der SPD als ihre Hauptfeinde. „Die Partei muss durch die Rebellion der Massen von unten wieder neu aufgebaut werden“, schrieb Luxemburg. Ihre Verbündeten war die pazifistische Linke, die sich von der SPD im Jahr 1917 abgespalten und eine eigene Unabhängige Sozialdemokratische Partei (USPD gebildet hatte –  nur geringfügig weniger extrem als der Spartakusbund. Die gemäßigten Sozialisten reagierten, indem sie in „Vorwärts“ höhnisch die „pathologische Instabilität“ des Spartakusbunds mit ihrem eigenen „klaren Kopf und vernünftiger Ruhe“ verglichen. Aber während die gemäßigten Sozialisten sich vernünftig ruhig verhielten, fingen Abordnungen der Spartakisten die aus dem Krieg zurückkehrenden Truppen an den Bahnhöfen ab, um Gewehre, Pistolen und Maschinengewehre zu erbetteln oder zu kaufen. (53)

Inzwischen sah sich Prinz Max mit dem Problem konfrontiert, wie der Krieg und die Monarchie zu beenden wäre, ohne dabei unfreiwillig eine Revolution zu verursachen. Er konzentrierte seine Anstrengungen auf drei entscheidende Fragen: den Ersatz von Kriegsdiktator Ludendorff, die Bildung einer Regierung die in der Lage wäre, das Land friedlich durch die vielen absehbaren Veränderungen zu führen, und, als Voraussetzung für das letztere, die Abdankung seines Vetters Wilhelm. Am 9. November beförderte er General Wilhelm Groener, den Sohn eines württembergischen Unteroffiziers und Transport- und Versorgungsspezialisten, auf Ludendorffs ehemaligen Posten als Generalstabschef und übertrug– völlig illegal – sein eigenes Amt und Autorität als Reichskanzler auf den siebenundvierzig Jahre alten ehemaliger Sattler und Vorsitzenden der SPD, Friedrich Ebert . Die noch verbleibende Aufgabe war die schwerste. Keine bürgerliche, und noch viel weniger eine von Sozialisten geführte Regierung, könne ihre Autorität ausüben, solange der diskreditierte Kaiser noch im Amt verblieb.

Zu dieser Zeit hielt sich Wilhelm noch in Spa auf, den kaiserlichen Kopf voller törichter Phantasien, wie er, sobald der Waffenstillstand unterzeichnet war, seine treuen Armeen zurück nach Deutschland führen würde, um die Ordnung wiederherzustellen. Wie Prinz Max in Berlin zu Recht erkannte, war eine Rückkehr Wilhelms weit davon entfernt, eine Lösung sein – sie war eher das Problem. Berichten zufolge hatten in Metz, dem nächste Ziel der alliierten Offensive, bereits 10.000 deutsche Soldaten gemeutert, einen Soldatenrat gebildet, und die Stadt übernommen. Ähnliche Umstürze der alten Ordnung brachen in ganz Deutschland aus. … Den Frieden ersehnenden Deutschen war klar, dass die einzige Handlung, die die Massen vom Überlaufen in das radikale Lager abhalten würde, die Entfernung des in Verruf geratenen Monarchen war. (54)

In den letzten zehn Tagen seit seiner Ankunft in Spa hatte Wilhelm erfolgreich jeden Bezug zu den Realitäten vermieden und darauf bestanden, dass eine Abdankung indiskutabel war. Nicht an Widerspruch gewohnt, weigerte der Kaiser sich, den Erklärungen des Boten von Prinz Max, dem preußischen Innenminister Drews zuzuhören. Er habe „nicht die Absicht, wegen einiger hundert Juden und tausend Arbeitern dem Thron zu entsagen. Sagen Sie das Ihrem Meister in Berlin.“ (55)

Baden erkannte , dass er persönlich mit seinem Vetter sprechen musste. Am Abend des 8. November rief er Wilhelm am Telefon an und versuchte, durch des Kaisers Starrsinn zu dringen, indem er klarstellte, dass ohne Wilhelms Abdankung ein Bürgerkrieg das Land verwüsten würde. Der Kaiser glaubte ihm kein Wort. Es war undenkbar, erwiderte er, dass die Armee sich weigern würde, ihm zu folgen. Da es, darüber hinaus, Prinz Max gewesen war, der Wilson um einen Waffenstillstand gebeten hatte, nicht Wilhelm selbst, fühlte sich der Kaiser gänzlich unbeteiligt. „Sie haben um den Waffenstillstand gebeten“, sagte er, „also werden auch Sie die Bedingungen akzeptieren müssen.“ (56) Am nächsten Morgen, am 9. November, erschien die Führung der Armee, Hindenburg und Groener, im Hotel Britannique in Spa, um ihrem Souverän einen letzten und notwendigen Besuch abzustatten.

Am 9. November, traf der Kaiser in Spa die Führer seiner Armee, der Institution, durch die die Hohenzollern-Dynastie an die Macht gekommen war, und die deren Würde und Autorität immer aufrechterhalten hatte. Wilhelm II glaubte immer noch , dass, welche Akte der Untreue auch immer von den zivilen Politikern in Berlin begangen würden, welche Angriffe auf Ruhe und Ordnung auch immer die Straßen störten, seine Untertanen in Feldgrau würden ihrem Eid des militärischen Gehorsams treu bleiben. Auch an diesem 9. November fuhr er fort sich einzureden, dass er die Armee gegen das Volk einsetzen könne und damit das Königshaus retten; wenn er nur Deutschen befahl gegen andere Deutsche zu kämpfen.

Seine Generäle wussten es besser. Hindenburg, der hölzerne Riese, hörte ihn in aller  Stille an. Groener, der praktisch denkende Transportoffizier, Sohn eines Sergeants, der nun Ludendorff ersetzt hatte, fand den Mut zu sprechen. Er wusste, aus Umfragen unter fünfzig Regimentskommandeuren, dass die Soldaten jetzt „nur noch eins wollten – einen Waffenstillstand zum frühestmöglichen Zeitpunkt“ Der Preis dafür, für das Haus Hohenzollern, war die Abdankung des Kaisers. Der Kaiser hörte ihm mit steigender Ungläubigkeit zu. Was ist, fragte er, mit dem Fahneneid, dem Eid auf die Farben des Regiment, der jeden deutschen Soldaten band, eher zu sterben, als nicht zu gehorchen? Groener sprach das Unaussprechliche aus. „Heutzutage“, sagte er, „besteht der Fahneneid nur aus bedeutungslosen Worten. “(57)

In der Reichskanzlei in Berlin, nicht in der Lage, den Ereignissen in entfernten Spa zu folgen, konferierte von Baden mit Ebert über die Situation auf der Straße. Ebert warnte, dass, wenn die Abdankung sich weiter verzögere, ein Staatsstreich von Spartakus und USPD in jeder Stunde wahrscheinlicher werde. Da Prinz Max sich im Klaren darüber war, dass die Monarchie wohl oder übel nicht mehr zu halten war, diktierte er, der Wirklichkeit vorgreifend, einem Mitarbeiter der Wolff-Telegraphen-Agentur in Berlin die Meldung, „Der Kaiser und König hat sich entschlossen, auf den Thron zu verzichten.“ ( 58)

Feuerwerk der deutschen Hochseeflotte in Wilhelmshaven nach der Abdankung des Kaisers
“Der Kaiser hat abgedankt!” – 2. Extra-Ausgabe des “Vorwârts” vom 9. November 1918.

Als das sensationelle Telegramm binnen weniger Minuten zur Aufmerksamkeit der Konferenz in Spa gebracht wurde, explodierte Wilhelm in einer Philippika gegen alle Verräter, zivile und militärische, aber war schließlich gezwungen zu erkennen, dass das Spiel aus war. Um 3:30 Uhr am Samstag, den 9. November 1918, gab er den Thron auf, und das Ende des Zweiten Kaiserreichs war gekommen; 47 Jahre und 10 Monate nach seiner Gründung im Spiegelsaal von Versailles. Auf Hindenburgs Rat verließ Wilhelm Spa in den frühen Morgenstunden des 10. November, und ging ins Exil auf Schloss Amerongen in den Niederlanden, den Sitz des Grafen Godard Bentinck, der für die nächsten 23 Jahre sein Gastgeber sein würde. (59)

Wilhelm II an der holländischen Grenze auf dem Weg ins Exil

Inzwischen entwickelten sich die Ereignisse in der Hauptstadt Hals über Kopf. Philip Scheidemann, der stellvertretende Vorsitzende der SPD, war von der Reichskanzlei in den Reichstag gestürmt, um seine Kollegen über Eberts Termine zu informieren. Während eines wohlverdienten Mittagessens in der Cafeteria wurde ihm mitgeteilt, dass Spartakus und USPD ihre Anhänger zum Stadtpalast des Kaisers zusammengerufen hatten, angeblich zur Verkündigung der Revolution und Proklamation einer deutschen Sozialistischen Sowjetrepublik. Geschwindigkeit war nun von fundamentaler Wichtigkeit.

Philipp Scheidemann am Fenster der Reichskanzlei in Berlin bei der Proklamation der Deutschen Republik.

Scheidemann stürmte auf die Terrasse vor der Reichstagsbibliothek, wo er von einer zwischen Hoffnung und Furcht schwankenden Menge bejubelt wurde. Improvisierend informierte Scheidemann die Menschen über die Ernennung Eberts zum Kanzler und die Schaffung einer neuen, republikanischen und demokratischen Regierungsform und beendete seine kurze Ansprache mit den Worten: „Die verfaulte alte Monarchie ist zusammengebrochen. Lang lebe das Neue! Es lebe die deutsche Republik!“(60) In der Zwischenzeit waren Delegationen der Spartakisten in Fabriken, Kasernen und Kasernen erschienen und hatten eine Menge von Tausenden von Anhängern mobilisiert, die zum Königlichen Schloss marschierten. Liebknecht begrüßte die revolutionäre Versammlung vom Balkon des Gebäudes herab, von wo der Kaiser früher seine Untertanen adressiert hatte:

„ Kameraden!“, rief er. „Die rote Fahne fliegt über Berlin! Das Proletariat marschiert. Die Herrschaft des Kapitalismus , die Europa in einen Friedhof verwandelt hat , ist vorbei. Wir müssen unsere Stärke sammeln, um eine neue Regierung der Arbeiter und Bauern zu bilden, und eine neue Ordnung des Friedens und die Freude und Freiheit nicht nur für unsere Brüder in Deutschland, sondern für die ganze Welt zu erschaffen. Wer entschlossen ist, den Kampf nicht einzustellen, bis die freie sozialistische Republik und die Weltrevolution verwirklicht ist, soll seine Hand heben und schwören!“ Die Menge brüllte zurück ‘Wir schwören’“. Aber Liebknecht kam zwei Stunden zu spät. (61)

Ebert hatte schnell gehandelt und bereits die USPD, Liebknechts einzig mögliche Unterstützer, davon überzeugt, in eine Koalition mit der SPD einzutreten, indem er der kleineren Partei einen gleichen Anteil bot, drei von sechs Sitzen in der provisorischen Regierung. Die neue Exekutive nannte sich „Rat der Volksbeauftragten“  und es wurde erwartet, dass sie sich die Verwaltung mit dem Arbeiter- und Soldatenrat der Hauptstadt teile, bis eine Nationalversammlung eine Verfassung erlassen und anschließend eine legitime Regierung beauftragen konnte. Ebert vorsichtiges Manövrieren überzeugte auch die liberalen und katholischen Interessen in der Hauptstadt und in weiten Teilen des Landes, die früher gefürchtete SPD als tragende Säule der neuen Republik zu unterstützen und damit hatte die neue Regierung zumindest die Legitimität populärer Unterstützung.

Dies alles unter der Voraussetzung, dass die Revolution in Schach gehalten werden könne. Dies schien in der Tat der Fall zu sein: außer ein paar Scharmützeln am Samstagabend und Sonntag, dem 10. November, blieb Berlin ruhig, und nachdem die Frage einer deutschen Republik jetzt aus dem Bereich der Möglichkeit zur Wirklichkeit geworden war, richteten sich die Augen der Nation zurück an die Westfront. Der Krieg war noch im Gange, und das Alliierte Oberkommando hatte bereits die nächste Offensive geplant; gegen Metz, am 14. November, und weitere Angriffe waren bis weit in das Jahr 1915 vorgesehen.

Der amerikanische Oberbefehlshaber John J. „Black Jack“ Pershing, der jetzt fast zwei Millionen „Doughboys“ unter seinem Kommando hatte, ersehnte sich eine baldige Vermehrung seines militärischen Prestiges durch die Eroberung von Sedan, das bei weitem die attraktivste Ziel in dem südöstlichen Teil der Front war. Es war die Stadt, wo die deutsche Armee die Franzosen im Jahr 1870 geschlagen und Napoleon III und 100.000 Poilus zu Kriegsgefangenen gemacht hatte.

Matthias Erzberger

Inzwischen hatte Prinz Max am 7. November eine Delegation für die Aushandlung des Waffenstillstands zu den französischen Gräben in der Nähe von Haudroy entsandt. Die Abordnung wurde von Matthias Erzberger geleitet, dem Vorsitzenden der deutschen katholischen Zentrumspartei, die von Badens informelle Regierung unterstützte. Er war ein bekannter Pazifist und das einzige bekannte Gesicht in der deutschen Gesandtschaft, die, mit Ausnahme von ihm selbst, aus Funktionären der mittleren Ebene aus dem Auswärtigen Dienst, Armee und Marine bestand. (62) Die Botschaft wurde mit dem Zug zu einem Eisenbahnwagen im Wald von Compiègne transportiert, fünfundsechzig Kilometer nordöstlich von Paris, und mit einer erwartet schroffen Behandlung durch Foch und General Weygand konfrontiert. Die Waffenstillstandsbedingungen waren wie folgt:

Marschall [Ferdinand] Foch vor seinem Salonwagen im Walde von Compiégne, Der zweite von links ist [Maxime] Weygand.

Alle besetzten Gebiete in Belgien, Luxemburg und Frankreich sowie Elsaß-Lothringen, seit 1870 von Deutschland besetzt, müssen innerhalb von vierzehn Tagen evakuiert werden; die Alliierten würden Deutschland westlich des Rheins und Brückenköpfe am Ostufer des Flusses in dreißig Kilometer Tiefe besetzen; alle deutschen Truppen müssen aus Österreich-Ungarn, Rumänien und der Türkei zurückgezogen werden und Deutschland hat 10 Schlachtschiffe, 6 Schlachtkreuzer, 8 Kreuzer und 160 U – Boote an alliierte oder neutrale Häfen auszuliefern. Sie muss alle schweren Waffen abliefern, darunter 5.000 Artilleriegeschütze, 25.000 Maschinengewehre und 2.000 Flugzeuge.

Die nächste Forderung versetzte die deutsche Delegation in tiefste Verzweiflung. Obwohl die Hungersnot im Lande wütete, beabsichtigten die Alliierten die Transportkapazitäten des Landes durch die Fortsetzung der Seeblockade und Konfiszierung von 5.000 Lokomotiven, 150.000 Eisenbahnwaggons und 5.000 Lastwagen zu lähmen. Weygand leierte vierunddreißig Bedingungen herunter, von denen die letzte Deutschland für den Krieg verantwortlich machte und Reparationen für alle Schäden forderte. (63)

Frühe französische Pläne für eine Teilung Deutschlands

Der deutschen Delegation wurde eine 72-Stunden-Frist gewährt und die Gelegenheit eingeräumt, die alliierten Forderungen per Funk an Berlin zu vermitteln. Erzberger war sich bewusst, dass die auferlegten Bedingungen viel zu scharf waren, um dem Radio anvertraut zu werden, welches abgehört werden könnte, und liess Prinz Max lediglich ausrichten, dass ein Kurier auf dem Weg sei. Dann bat er um eine vorläufige Einstellung des Kampfes, bis die Antwort empfangen werden könne, und wies darauf hin, dass damit viertausend Leben oder mehr pro Tag gerettet werden können. Um Pershing einen Gefallen zu tun, der wütend war, dass seine großer Entwurf der Eroberung Deutschland nun vereitelt schien und zur höheren Ehre der amerikanischen Expeditionary Forces und seiner eigenen auf Kampf bis zur letzten Minute bestand, weigerte sich Foch, das Gemetzel einzustellen.

Die Erzberger-Mission übernachtete im Wald von Compiègne in der Nähe von Fochs Eisenbahnwaggon und entwarfen Protestbriefe, die, wie sie hofften. vielleicht einen mäßigenden Einfluss auf die alliierten Bedingungen zeitigen würden. Um 8 Uhr abends am 10. November erhielten sie einen französischen Bericht über eine abgefangene Nachricht aus Berlin, die Erzbergers Vollmachten bestätigte und ihn ermächtigte, das Instrument des Waffenstillstandes zu unterzeichnen.

Danach wurde eine zweite Nachricht Hindenburgs empfangen, die die Echtheit des ersten Signals bestätigte und Erzberger anwies zu versuchen, im Interesse der hungernden Frauen und Kinder um die Aufhebung der Seeblockade nachzusuchen. Um 2 Uhr am nächsten Morgen, den 11. November, wurde die deutsche Delegation zurück in den Eisenbahnwaggon zu einer zweiten Runde Gespräche geführt.

Foch blieb jedoch unnachgiebig, und die einzige Mäßigung der Konditionen. die Erzberger erreichte, war, dass die Alliierten „die Versorgung Deutschlands während des Waffenstillstands in Erwägung zögen, sollte diese als erforderlich eingestuft werden.“ (64) Der Waffenstillstand wurde kurz nach 5.00 Uhr morgens unterzeichnet, mit Wirkung von 11.00 Uhr des gleichen Tages, also in sechs Stunden, und die Sitzung wurde unterbrochen. Alles was die Soldaten auf beiden Seiten des Drahtes nun tun mussten, war noch sechs Stunden in ihren Gräben zu verweilen und das Abschlachten wäre vorbei.

Erzberger bei der Unterzeichnung

Das heißt, für alle mit Ausnahme der AEF, die von Pershing angewiesen wurden, die für diesen Tag geplanten Angriffe ohne Berücksichtigung des Waffenstillstandes um 11:00 Uhr wie geplant fortzusetzen. Da Foch die Bedingungen des Waffenstillstands allen alliierten Kommandanten mitgeteilt hatte – darunter natürlich auch Pershing – war schon im Vorfeld klar, dass aller Boden, der den Deutschen in so einer Last-Minute-Offensive abgerungen werden könne, von den Deutschen ohnehin innerhalb zweier Wochen aufgeben werden musste.

Pershing hatte seine Regiments- und Divisionskommandeure darüber informiert, dass ein Waffenstillstand mit Wirkung 11.00 Uhr in Kraft treten würde, aber befahl seinem Stabschef, dass von 5.00 bis 11.00 Uhr, die AEF „ jeden Vorteil aus der Situation“ ziehen sollte. (65) Neun der sechzehn US Divisionskommandeure an der Westfront interpretierten das Fehlen spezifischer Befehle als Anreiz, die geplanten Angriffe zu starten; sieben verzichteten darauf, um nicht sinnlos ihrer Männer Leib und Leben zu gefährden.

Also griffen neun US-Divisionen den Feind am Morgen des 11. November an und da die Deutschen gezwungen waren, sich zu verteidigen, ob sie wollten oder nicht, wurden fast 11.000 Opfer der Gesamtheit der Kriegsverluste unnötig hinzugefügt. Mit mehr als 2700 Toten am Ende dieser wenigen Stunden übertraf dieser letzte halbe Tag die durchschnittliche tägliche Verlustrate von 2.000 Toten bei weitem.

Betrachtet man diese Verluste in der richtigen Perspektive, so wurden während der  D-Day-Invasion in der Normandie am 6. Juni 1944, fast 26 Jahre später, Gesamtverluste um die 10.000 (für alle Seiten) berichtet. Also waren die Gesamtverluste des (halben) Waffenstillstandstags fast 10 Prozent höher als die am D-Day. Es gab jedoch einen großen Unterschied. Die Männer, die die Strände der Normandie erstürmten, kämpften um den Sieg. Die Männer des Waffenstillstandstags starben in einem Krieg, der bereits entschieden war. (66)

Um 11:00 Uhr am 11. November 1918 beendeten die Kanonen das Feuer entlang der Westfront. Aber es war erst in der Zeit nach dem großen Konflikt, dass die Mitglieder der alten Kaiserhäuser realisierten, für wie lange schon – in Wahrheit –  sich ihre Relevanz und Autorität vermindert hatte, ohne dass sie es bemerkten. Denn es hatte sich herausgestellt, dass die Macht der Hohenzollern, Habsburg und Romanov-Dynastien nicht erst im Februar 1917 oder November 1918 beendet war, sondern in Wirklichkeit bereits im Sommer 1914 oder sogar noch früher – in ihrem Betreiben, den alten Kontinent in unnötigen Krieg und Pestilenz zu treiben, hatten sie, ach, die Schatten des Nationalismus und Sozialismus übersehen, die sich in ihrem Rückspiegel zusammenbrauten – eifrig darauf aus, das imperiale Erbe zu übernehmen.


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[42] [43] [44] [45] Massie, Robert K., Castles of Steel, Ballantine Books 2003, ISBN 0-345-40878-0, S. 773, 775, 775, 776

[57] Keegan, John, The First World War, Vintage Books 2000, ISBN 0-375-40052-4361, S. 418-419

[48] [49] [54] [55] [56] [58] [59] [62] [63] [64] [65] [66] Persico, Joseph, 11th Month, 11th Day, 11th Hour, Random House 2004, ISBN 0-375-50825-2, S. 303, 304-5, 315-16, 316, 317, 318, 318, 306, 307-8, 323, 325, 378-9

[46] [47] [50] [51] 52] [53] [60] [61] Read, Anthony, The World on Fire, Norton Books 2008, ISBN 978-0-393-06124-6, S. 26, 27, 28, 29, 29, 30, 32, 32

(© John Vincent Palatine 2015/19)

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Die Deutsche Revolution von 1918

Der Gipfel menschlicher Entwicklung …

Videos mit Originalaufnahmen: Kurt Eisner / Doku Revolution


Schon Anfang Januar 1918 hatten Industriearbeiter in Berlin begonnen, für ein Ende des Krieges zu streiken und ihr Protest brachte die SPD dazu, ihre Position zu überdenken. In der anfänglichen Begeisterung des Augusts 1914 hatte die Partei Kaiser Wilhelms Aufruf zu nationaler Einheit in Zeiten der Gefahr akzeptiert und für die Kriegskredite gestimmt, aber die Entbehrungen der Lebensmittelrationierung, die Anstrengungen der Kriegsproduktion und die wachsende Inflation belastete die Treue ihrer Anhänger schwer. In vielen Fabriken waren Arbeitstage von 12 bis 14 Stunden die Norm – an sieben Tage der Woche. Wären die Löhne angemessen gewesen, oder vielmehr, hätte es Waren zum Erwerb gegeben, hätten die Arbeiter den Härten mit mehr Toleranz begegnen können, aber unter dem Trauma des vierten Kriegswinters fühlten sogar gemäßigte Sozialisten Handlungsbedarf. Ihr Unmut über die schlechten wirtschaftlichen Bedingungen, die weitgehend die Folge von Hindenburgs und Ludendorffs Vernachlässigung des Agrarsektors waren, wurde von den liberalen bürgerlichen Parteien geteilt, die auch die Arroganz kritisierten, mit der die Generäle das Land regierten. Eine Stimmung des Protestes erhob sich langsam in den Schützengräben von Frankreich und Belgien, die sich bald …

Streik der Munitionsarbeiterinnen, Berlin, Januar 1918

… nach Deutschland selbst weiterverbreitete, das viele Monate lang unter einer virtuellen Militärdiktatur gelitten hatte, und am Montag, den 28. Januar 1918, begannen Arbeiter in ganz Deutschland zu streiken. Ihre Hauptforderung war Frieden, aber auch ein Mitspracherecht der Arbeitnehmervertretungen bei den Verhandlungen mit den Alliierten, erhöhte Lebensmittelrationen, die Abschaffung des Kriegsrechts und die Schaffung einer demokratischen Regierung für ganz Deutschland. In München und Nürnberg marschierten zwar nur ein paar tausend Arbeiter durch die Straßen und forderten sofortigen Frieden ohne Annexionen, aber in Berlin verließen 400.000 Arbeiter ihre Arbeitsplätze, um ein Streikkomitee zu organisieren.

Berliner Streikposten

Sie wurden zwar innerhalb einer Woche zurück an die Arbeit gezwungen, aber der Geist der Rebellion blieb in der Hauptstadt lebendig und es schien nur eine Frage der Zeit zu sein, bis eine ausgewachsene Revolution ausbrechen würde. Die Nachricht von dem Generalstreik wurde an der Front mit gemischten Gefühlen empfangen. Viele der Soldaten waren zwar kriegsmüde und genauso angewidert wie die Bevölkerung, aber fast genauso viele fühlten sie sich durch die Zivilisten betrogen.

Für Hitler war es „die größte Schikane des ganzen Kriegs“ und er erzürnte sich über die „ roten Faulenzer.“  Wofür kämpfte die Armee, wenn die Heimat selbst nicht mehr den Sieg wollte? Für wen dann die immensen Opfer und Entbehrungen? „Von den Soldaten wird erwartet für den Sieg zu kämpfen und dann fängt die Heimat an, gegen sie zu streiken.“ [John TolandAdolf Hitler, Anchor Books 1992, ISBN 0-385-42053-6, S. 69]

Hitlers erster Fronturlaub in Berlin hatte ein paar Wochen vor dem Streik stattgefunden und als er zum zweiten Mal durch die Hauptstadt spazierte, um den 19. November 1918 herum, war die Aufregung der vergangenen Wochen bereits abgeklungen.

Die Massaker des 6. Dezember waren noch mehr als zwei Wochen in der Zukunft. Bei diesem Vorfall fand sich eine Demonstration von Spartakisten, die um eine Straßenecke bogen, plötzlich einer Reihe von Maschinengewehren gegenüber, besetzt von Soldaten aus dem wegen ihrer Abzeichen  „Maikäfer“ genannten Garde-Füsilier-Regiments des Gardekorps, die fünf Minuten lang auf alles feuerten, was sich bewegte, bevor sie sich auf den Rückzug in die Sicherheit und Anonymität ihrer Kaserne machten und die Toten und Verwundeten ihrem Schicksal überließen. Es wurde nie herausgefunden, wer die Mörder waren. 

Hitler jedoch war kurz vorher sicher nach München zurückgekehrt, musste aber zu seinem Erstaunen erkennen, dass sich seit dem 7. Dezember vieles verändert hatte.

Während des Krieges hatte sich die bayerische sozialistische Bewegung aufgespalten, wie in den meisten anderen Bundesländern, und zwar in einen großen gemäßigten Flügel, der den Namen SPD beibehielt, und eine kleinere radikale Gruppe, die USPD ( „Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands“). In Bayern war diese Spaltung durch einen bayerischen Delegierten des SPD-Parteitags von Gotha im April 1917, Kurt Eisner, organisiert worden. Bei jenem Parteitag hatten grundsätzliche Streitigkeiten über die Unterstützung des Krieges zu Spaltung geführt, und als Eisner nach München zurückkehrte, wurde er zum Vorsitzenden der bayerischen USPD gewählt. Beide Parteien waren in der Bayerischen Abgeordnetenkammer vertreten, der seit 1819 existierte; der es aber an wirksamer gesetzgebender Gewalt fehlte – welche dem König vorbehalten blieb. Bayern war in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts ein meist ländliches Gebiet, aber durch das Aufblühen der deutschen Industrie in den nächsten 60 Jahren, und vor allem, als sich Munitions-, Fahrzeug- und Eisenwaren-Fabriken während des Krieges multiplizierten, wuchs der Einfluss der sozialistischen Parteien. 

Die bayerischen Sozialisten waren weitaus mutiger als ihre Genossen in Berlin und brachten im September 1917 ein Reformgesetz mit weitreichenden Anliegen ein, das die Abschaffung des Senats (der parlamentarischen Spielwiese des Adels) und des Adels selbst forderte, die Einführung des allgemeinen Wahlrechts, die Übertragung der legislativen Befugnisse auf einen Landtag und die Trennung von Kirche und Staat.

Kurt Eisner

Diese Gesetzesvorlage starb natürlich schnell durch königliches Veto, aber in den landesweiten Streiks vom Januar 1918 gelang es der bayerischen USPD, die Straßen in einem Grad zu mobilisieren, den die Regierung für viel zu gefährlich hielt. Die führenden Persönlichkeiten der USPD wurden daher kurzerhand verhaftet, darunter der unbeugsame  Kurt Eisner.

Stadtzentrum – Neuhauser Straße

Die meiste Zeit seines Berufslebens war Eisner ein Theaterkritiker gewesen. Während des Krieges gründete er die Unabhängige Sozialistische Partei in Bayern und im Januar 1918 übernahm er eine führende Rolle bei den Streiks, die München plagten. Verhaftet und ins Gefängnis geworfen, wurde er in den letzten Tagen des Krieges freigelassen. Sein Freund Ernst Toller [der Dramatiker, ¶] beschrieb ihn als einen Mann, der sein Leben lang arm, selbstgenügsam und zurückhaltend gewesen war. Er war klein und schmächtig; graue Haare, die einst blond gewesen waren fielen unordentlich über seinen Mantelkragen und ein ungepflegter Bart wucherte über seine Brust; kurzsichtige Augen schauten ruhig aus seinem tief gefurchten Gesicht. Er hatte einen Sinn für Dramatik, ätzenden Witz und war völlig ohne Arroganz. [Robert Payne, The Life and Death of Adolf Hitler, Praeger Publishers 1973, Lib. Con. 72-92891, S. 122]

Kurt Eisner privat in seinem Garten in der Haderner Lindenallee 8 – v.l.n.r. Josef Belli, Freia Eisner, Ilse Eisner (Tochter aus Eisners erster Ehe), Kurt und Else Eisner, Thekla Belli

Er wurde beschuldigt, ein Bolschewik zu sein, was er schon mal gar nicht war. Er war, was sein Parteiausweis angab – ein unabhängiger Sozialist: weniger ein Anhänger strenger marxistischer Lehre als ein Mann der die inkompetente Herrschaft des Adels und des Systems, das unter seiner sozialen Ungerechtigkeit und den Entbehrungen von vier Jahren Krieg auseinander zu brechen drohte, durchschaute. Als die rechtsextreme Presse ihn als einen bolschewistischen Aktivisten hinstellte, der zehn Millionen Goldrubel von Lenin persönlich zur Förderung der deutschen Revolution erhalten hatte, nahm er die Reporter mit zu seiner Bank und zeigte ihnen eine Kopie seines Spesenkontos: seine Unkosten für die „Bayerische Revolution“ belief sich auf siebzehn Reichsmark. Die Annalen der Menschheit kennen keine billigere Revolution.

König Ludwig III war sich der Vorboten des Aufruhrs in den letzten Tagen des Krieges wohl bewusst. In einem verspäteten Versuch, die Monarchie zu retten, stimmte der König einem reformerischen Gesetzentwurf zu, der ein paar liberale aber weitgehend kosmetische Veränderungen mit sich brachte. Fünf Tage später, am Vormittag des 7. November 1918, traten Vertreter der SPD, der katholischen Bauernpartei und der Demokratischen Partei zum ersten Mal der Königlich Bayerischen Regierung bei.

Das Hofbräuhaus – Zentrum des bekannten Universums

Obwohl die bayerische Polizei vor revolutionären Verschwörungen gewarnt hatte, erlaubte die Münchner Justiz am selben Nachmittag eine gemeinsame Demonstration von SPD und USPD auf der Theresienwiese, der großen Fläche, wo das jährliche Oktoberfest stattfindet. Die Truppen der Münchner Garnison wurden als zuverlässig monarchistisch und patriotisch genug eingeschätzt, sodass die öffentliche Sicherheit gewährleistet schien. Die Veranstaltung begann um 15.00 Uhr und bald füllten mehr als 80.000 Zuhörer das große Oval. Am Schluss der Veranstaltung, zwei Stunden später, verließen die Gemäßigten das Gelände, um in die Innenstadt zu marschieren, während die extremeren Elemente, insbesondere Kurt Eisners USPD, verharrten, zusammen mit vielen radikalen Soldaten und Matrosen, die bereits ihre imperiale Kokarden abgenommen hatten.

Auf der Theresienwiese, 7. Dezember 1918, nachmittags

Eisner erkannte seine Chance. Seine Anhänger befanden sich am nördlichen Ende des Veranstaltungsortes, nahe den Kasernen der Münchner Garnison in Nordwesten der Stadt, wohin er sich, von vielleicht 2000 Mann gefolgt, in Bewegung setzte. Bald wuchs die Menge zu einem revolutionären Lindwurm an, als sich mehr und mehr Soldaten auf dem Weg zu den Kasernen anschlossen. Es gab eine Minute Verwirrung und eine kleine Schießerei an der großen Kaserne Türkenstraße, aber als sich die Mehrheit der dort stationierten Truppen für die Revolution erklärte, hatte Eisner gewonnen. Die Menge, die er jetzt in Richtung Innenstadt zurückführte, war jetzt ungefähr 5000 Mann stark.

Der Kronprinz, Königin Marie Therese und Ludwig III

Bei seinem täglichen Nachmittagsspaziergang im Englischen Garten hatte ein Passant dem König von bedenklichen Vorfällen berichtet, was ihn zur Rückkehr veranlasste. Gegen 7 Uhr abends erschienen revolutionär gestimmte Soldaten auf dem Platz der Residenz, des Wittelsbacher Stadtpalastes, und die besorgte Königsfamilie wurde durch den Kriegsminister Philipp von Hellingrath informiert, dass, da eine große Mehrheit, vielleicht sogar alle der Münchner Garnisonstruppen, sich für die Rebellion erklärt hatten, keine loyalen Einheiten zur Verfügung stünden, um den Thron zu schützen. Die Palastwache war in den frühen Abendstunden auf mysteriöse Weise verschwunden, und der Königs eigenes Garde-Regiment verblieb passiv in den Kasernen, obwohl es dringend alarmiert worden war. Um etwa 22 Uhr verließen der König, seine Familie und die Bediensteten die Hauptstadt, auf Anraten des Hofministers Ritter von Dandl, um Zuflucht auf dem Familienschloss Burg Wildenwart am Chiemsee zu suchen. Ein paar Meilen südlich der Stadt, so die Sage, rutschte des Königs Auto von der Straße ab und endete mit gebrochener Achse in einem Kartoffelfeld. Es war ein, den Umständen entsprechend, durchaus angemessenes Ende der Herrschaft des Hauses Wittelsbach in Bayern.

Inzwischen gingen Delegationen revolutionärer Soldaten daran, die wichtigsten strategische Punkte der Stadt zu besetzen, ohne auf Widerstand zu stoßen: bis zum späten Abend waren der Hauptbahnhof, das Telegrafenamt, das Bayerische Armeekommando und andere wichtige militärische und kommunale Gebäude sowie das Parlament und die Büros der Zeitungen in roten Händen. Die Einheiten von Armee und die Polizei, die nicht zu den Rebellen übergegangen waren, verhielten sich passiv und ließen die Revolution sich selbst in den späten Stunden des Tages mithilfe von Massenveranstaltungen organisieren. Eine vorläufige Versammlung der Rebellen wurde im Franziskaner Bierkeller abgehalten, aber das zweite, entscheidende Treffen fand genau im Herzen der Stadt, im gigantischen Mathäserbräu, einem riesigen Gasthaus, statt, in dem leicht fünftausend Personen Platz fanden –  aber in dieser Nacht waren dort bestimmt doppelt so viele.

Soldaten vor dem Mathäserbräu

Soldaten und Matrosen trafen sich im ersten Stock und wählten einen Rat, während sich die Arbeiter im Erdgeschoss trafen und ihre eigenen Vertreter erkoren. Die Delegierten beider Räte verschmolzen dann und bildeten einen allgemeinen „Arbeiter-, Soldaten- und Bauern Rat“, anfangs geleitet von Franz Schmitt von der SPD. Um etwa 22 Uhr zogen Eisner, Schmitt und die Räte plus eine kleine bewaffnete Wache über die Isar zum Parlamentsgebäude. Den Vorsitz beanspruchend, in dem improvisierten Treffen, und ohne formale Umschweife, nahm Eisner das Amt des Ministerpräsidenten von Bayern auf sich, und ließ, in den frühen Morgenstunden des 8. November 1918, die Freie Bayerische Sozialistische Sowjetrepublik verkünden. Ein paar Stunden später erwachten  die Bürger von München, die in einem Königreich zu Bett gegangen waren, in einer Republik, und dazu noch in einer sozialistischen.

Proclamation of the Free State of Bavaria

Am Nachmittag des gleichen Tages, 8. Dezember, veranstaltete man im Parlamentsgebäude die erste Sitzung des temporären Nationalrates, um eine provisorische Regierung zu etablieren. Der Versammlung gehörten die Stadträte und die ehemaligen  Parlamentsmitglieder der SPD, der bayerischen Bauernpartei und die drei ehemaligen liberalen Abgeordneten an. Das Plenum wurde anfänglich mit Einwänden von den Delegierten der SPD konfrontiert. Die Sozialdemokraten zeigten sich, zu einem gewissen Grad, dem Ancien Régime treu und favorisierten Reformen, nicht Revolution; eine langwierige Debatte war notwendig, um ihre Mitglieder zu überzeugen, der provisorische Regierung beizutreten und diese zu unterstützen. Am nächsten Tag übernahmen Ministerpräsident Eisner und seine frisch gebackenen Minister die Exekutivgewalt in Bayern. Kein einziger Akt der Insubordination wurde bekannt: alle Staatsdiener, Regierungsangestellten, Polizei und Militär befolgten die Anordnungen der neuen Regierung.

München setzte den Standard für das Land.

Die Flammen der – ordentlichen –  Revolution zündeten spontan in ganz Deutschland. In Friedrichshafen bildeten die Arbeiter der Zeppelin-Werke einen Rat. Die Fabrikarbeiter in der Region Stuttgart, darunter die des großen Motorenwerks von Daimler, streikten und erhoben ähnliche Forderungen, angeführt von Sozialisten mit Ansichten, die Eisners ähnelten. Matrosen organisierten einen Aufstand in Frankfurt am Main. In Kassel revoltierte die gesamte Garnison einschließlich des Kommandanten, jedoch völlig gewaltlos.

Es gab ein paar Schüsse in Köln, als die 45000-köpfige Garnison zu den Roten überging, aber schnell setzte wieder Ruhe ein. Ein ziviler Aufstand in Hannover gelang, obwohl Behörden den Truppen befohlen, Gewalt anzuwenden; die Soldaten schlossen sich den Rebellen an. Das gleiche geschah in Düsseldorf, Leipzig und Magdeburg. In ganz Deutschland brach eine Regierung nach der anderen brach zusammen, als Arbeiter- und Soldatenräte die Kontrolle übernahmen. [Toland, p. 72]

Truppenansammlungen auch in den Straßen Nürnbergs während der Novemberrevolution 1918

Schließlich wandten sich die Augen der Nation nach Berlin, in der Erwartung, dass der Erfolg oder Misserfolg einer deutschen sozialistischen Republik dort entschieden werden würde. Anders als in Russland, wo Menschewiki und Bolschewiki sich über die Frage von Reform oder Revolution schon weit vor dem Krieg aufgespalten hatten, hatten sich die deutschen Sozialisten nicht vor 1917 getrennt, als sich der revolutionäre Flügel als USPD etablierte. Doch selbst zusammen mit ihren Gesinnungsgenossen vom Spartakusbund vertraten sie wohl weniger als zehn Prozent des sozialistischen Spektrums, aber ihre schrille Propaganda schien eine Spaltung der sozialistischen Regierung in Berlin anzukündigen. Potenziell schlimmer für die Radikalen waren die für den 19. Januar geplanten landesweiten Wahlen zu einer neuen Nationalversammlung, die den Frauen der Nation zum ersten Mal das volle Wahlrecht gaben – der revolutionäre Flügel hatte keine Illusionen über das mögliche Ergebnis. Nein – wenn sie die Macht erlangen wollten, blieb nur ein Staatsstreich.

“Vorwärts” vom 9. November 1918

Aber so weit waren die Dinge noch nicht geraten. In diesen Tagen des Novembers und Dezembers interessierten sich weitaus die meisten Arbeiter, Soldaten und Matrosen weniger für dogmatischen Streit als für ein Ende des Krieges und des Hungers; sie erwarteten die Wiedervereinigung mit Familien und Angehörigen und mussten Arbeit finden. Da die bisherige Reichsregierung zusammengebrochen war, war Selbsthilfe das Motto des Augenblicks, und so kam es, dass …

… Berlin in einem Zustand der Verwirrung verharrte … verschiedene Gruppen beanspruchten die Regierungsgewalt: der Rat der Volksbeauftragten unter Friedrich Ebert im Kanzleramt (die von den Alliierten anerkannte Regierung), der Kongress der Arbeiter- und Soldatenräte im Reichstag, die Berliner Arbeiter- und Soldatenräte im preußischen Landtag, Emil Eichhorn (USPD) als selbst ernannter Polizeikommissar von Berlin mit seinem 3.000 Mann starken aber unwilligen (weil kaisertreuem) “Sicherheitsdienst” im Polizeipräsidium am Alexanderplatz, die „Revolutionären Obleute“ und natürlich die alternative spartakistische Regierung von Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg im Königspalast, die von einer freiwilligen Truppe von rund 2.000 roten Matrosen unterstützt wurde, die in den königlichen Stallungen kaserniert war und sich selbst als die Volksmarinedivision bezeichnete.

Es gab tägliche Straßendemonstrationen, Massenversammlungen und vereinzelte Schießereien, und praktisch jeden Tag bis Weihnachten marschierte jeweils eine andere aus dem Krieg heimkehrende  Division der regulären Armee durch das Brandenburger Tor und Unter den Linden hinauf, bevor sie sich in der Menge auflöste. [Anthony Read, The World on Fire, Norton Books 2008, ISBN 978-0-393-06124-6, p. 47]

Revolution am Brandenburger Tor

Unabhängig von der politischen Ungewissheit der Zeit setzte die Mehrheit dieser Gremien diejenigen sozialistischen Bestrebungen um, die sie vergeblich von den deutschen Fürsten gefordert hatten. Der Arbeitstag wurde auf acht Stunden begrenzt, die Gewerkschaften erhielten uneingeschränkte Organisations- und Verhandlungsrechte, es wurde eine Arbeitsunfallversicherung eingeführt, die Altersvorsorge erweitert, Kranken- und Arbeitslosenversicherungsprämien entweder gesenkt oder die Leistungen erhöht. Viele dieser Programme befanden sich noch im Entwicklungsstadium, wurden jedoch zu Sprungbrettern proletarischer Emanzipation. Politische Gefangene wurden freigelassen und die Zensur von Presse und Theater aufgehoben. Entgegen der Warnungen kapitalistischer Cassandras, von denen es etliche gab, stellte sich heraus, dass all dies bezahlt werden konnte, sobald eine gewisse Normalität eingeführt war; das heißt, dass die vorgeschriebenen Steuern auch kassiert und die Steuervergünstigungen der Junker und des Adels aufgehoben wurden. Die deutsche Sozialgesetzgebung wurde das Vorbild für Arbeiter weltweit.

Hitler gestand später, dass er diese sozialen Reformen respektierte, die er auf lange Sicht für unvermeidlich hielt, und einige seiner folgenden Aussagen hinterlassen den starken Verdacht, dass er in diesen Tagen einiges Mitgefühl mit den Sozialdemokraten hatte. “Wofür ich den Sozialdemokraten dankbar bin“, sagte er, “ist, dass sie diese Interessen von Hof und Adel entmachtet haben.” [Anton Joachimsthaler, Korrektur einer Biographie, Langen Müller 1989, ISBN 3-7766-1575-3 p. 181]

Die manchmal wirren, aber weitgehend harmlosen Entwürfe der verschiedenen zukünftigen sozialistischen Regierungen und ihrer Ausschüsse und Räte konnten jedoch nur gedeihen, solange echte revolutionäre Gruppen in Schach gehalten werden konnten. Ebert verstand, dass die Exekutivgewalt seiner Regierung ohne bewaffnete Unterstützung fragwürdig blieb, und er kannte seine ehemaligen Kameraden, die zu den Spartakisten gewechselt waren, gut genug um nicht zu glauben, dass sie die revolutionäre Option aufgeben würden – da sie ja nicht hoffen konnten, die Wahl zu gewinnen. Aber sie hatten Gewehre und wenn sie einen Staatsstreich gegen unbewaffnete Gegner versuchten, wer könnte sie aufhalten? Die einzige offensichtliche Alternative war, die Unterstützung der regulären Armee zu erlangen.

Die Sozialdemokraten hatten immer kritischen Abstand zum Militär bewahrt, welches ja oft genug zur Unterdrückung eingesetzt worden war. Nun, da der Krieg verloren gegangen war, anstatt mit dem erwarteten Triumph zu enden, konnte nicht erwartet werden, dass sich die Stimmung der Armee verbessert oder ihre Sympathie für Sozialisten vergrößert habe. Am 10. Dezember kamen die ersten zurückkehrenden Einheiten der Armee in Berlin an; von Ebert begrüßt, der die schwierige Aufgabe hatte, den Soldaten die zwischenzeitlich eingetretenen Veränderungen zu erklären. Die Demobilisierung in Berlin war die gleiche ungeordnete Angelegenheit wie überall sonst, vielleicht schlampiger: Viele Soldaten “vergaßen”, ihre Waffen abzugeben, manche Einheiten vergaßen sogar, ihre Maschinengewehre auszuhändigen – oder sogar ihre Kanonen – oder behaupteten, sie seien auf der Durchreise verloren gegangen. An Waffen fehlte es nirgendwo in der neuen Republik, aber das Angebot in der Hauptstadt war bei weitem das reichste und die Spartakisten hatten große Vorräte angesammelt: Ebert war waffentechnisch unterlegen.

Barrikade an der Friedrichstraße

Am zweiten Tag seiner Kanzlerschaft, am 10. November, erhielt er auf direktem Wege einen Anruf aus dem Generalstabsgebäude. Sein Gesprächspartner war Wilhelm Groener, der neue Generalquartiermeister und Nachfolger von Ludendorff: de facto das militärische Oberhaupt der nur einen Tag alten Republik. Der General wusste genau, worum es ging, und bot Ebert an, dass sich “die Armee seinem Regime zur Verfügung stellen würde, als Gegenleistung für die Unterstützung des Feldmarschalls [Hindenburg] und des Offizierskorps durch das Regime und die Wiederherstellung von Ordnung und Disziplin in der Armee.“ (Read, S. 43) Im bürgerlichen Sprachgebrauch bedeutete dies, dass die Armee Ebert und die Republik – völlig unerwartet – unterstützen würde; um den Preis, die Armee in der preußischen Tradition außerhalb der Politik zu halten und sie sich selbst verwalten zu lassen. Es gab noch eine weitere Bedingung: “Das Offizierskorps fordert vom Regime eine Schlacht gegen den Bolschewismus und ist zu dieser Verpflichtung bereit.” (Read, S. 43)

Ebert befand sich in der Zwickmühle zwischen der spartakistischen Linken und der reaktionären militärischen Rechten – wie Odysseus zwischen Scylla und Charybdis. Am Ende stimmte er Groener zu, vielleicht ein wenig hinters Licht geführt durch einen schlauen Trick des Generals, der seinen eigenen Plan hatte, um mit den Räten fertig zu werden. Groener wusste, dass von der Front zurückkehrende, loyale Truppen und Offiziere ab der zweiten Dezemberwoche eintreffen würden, und deshalb musste er die Ratsherrschaft nur etwa einen Monat überleben. Sein Plan sah also vor, den Räten gerade so viel Freiraum zu geben, um sich selbst aufzuhängen. Er ordnete jeder Einheit an, einen Rat wählen: jeder Zug, jede Kompanie, jedes Bataillon, Regiment und so weiter, ein Verfahren, das ein sofortiges Chaos verursachte, welches Groener die nötige Zeit verschaffte. Bald würde der Großteil der Armee zurückkehren und während die meisten Einheiten sich von selbst demobilisieren würden, würden manche das nicht tun. Groener wusste, dass manche Männer nicht in das bürgerliche Leben zurückkehren konnten, denn die Erfahrung des Krieges hatte ihre Seelen für immer deformiert. Solche Männer bildeten die “Freikorps“.

Vor dem Krieg hatten die kaiserlichen Wehrbehörden vorzugsweise Bauernjungen eingezogen, da sie weniger von Sozialismus durchdrungen waren als die Söhne der städtischen Arbeiter. Daher repräsentierten die Wehrpflichtigen im Gegensatz zu den eher städtischen Hintergründen vieler Unteroffiziere und Regimentsoffiziere hauptsächlich das pastorale Element der deutschen Gesellschaft. Die Städter dagegen waren im Großen und Ganzen bürgerlich oder kleinbürgerlich geprägt, besser ausgebildet und hoffnungslos romantisch. Sie bildeten das Reservoir, aus dem die Freikorps ihre Wölfe bezogen.

Das plötzliche Ende des Krieges löste bei ihnen Entzugserscheinungen aus – das zivile Leben wirkte trostlos, matt und trivial. Darüber hinaus hatte nichts diese zutiefst romantische und leidenschaftlich patriotische Bruderschaft darauf vorbereitet, das Vaterland in der Gefahr einer bolschewistischen Revolution vorzufinden. Sie waren zu ewigen Kriegern geworden, auf der Suche nach einer Pflicht, die sie erfüllen konnten, und keine Aufgabe konnte glorreicher oder wichtiger sein, als diese so seltsam veränderte Heimat von einem kommunistischen Abgrund zu bewahren.

Die Freikorps von 1918 und 1919 waren … freibeuterische Privatarmeen erbitterter ehemaliger Militärs, hauptsächlich zusammengesetzt aus ehemaligen Offizieren und Unteroffizieren, die sich ihrer Auflösung widersetzten, und entschlossen waren, militärische Disziplin und Organisation angesichts der “Unordnung” der Soldatenräte aufrechtzuerhalten. Eingebettet in die harten Traditionen der preußischen Armee, waren sie außerordentlich nationalistisch und gewalttätig antibolschewistisch.

Ihre Bildung war zwar nicht von Groener initiiert, aber ermutigt worden, sowohl als Mittel, um den Ethos des Offizierskorps in diesen unsicheren Zeiten am Leben zu erhalten, als auch um robuste, trainierte Einheiten loyaler Truppen zu schaffen, auf die man sich verlassen konnte die revolutionären Kräfte linker Truppen zu bekämpfen. Ihre genaue Beziehung zur Armee wurde absichtlich vage belassen, aber sie wurden von ihr mit Maschinengewehren, Mörsern und sogar Kanonen wie auch mit Gewehren und Pistolen ausgestattet, und es besteht kaum Zweifel, dass ihre Bezahlung aus Armeemitteln stammte. Viele ihrer Kommandeure waren Offiziere im Regeldienst.

Die erste Aufgabe der Freikorps bestand darin, Deutschlands Ostgrenzen zu den neuen baltischen Staaten und dem neuen unabhängigen und zutiefst feindseligen Polen zu sichern, das nach Jahrhunderten deutscher, russischer und österreichischer Unterdrückung voraussichtlich versuchen würde, so viel Territorium wie möglich für sich zu erobern.

Der Schutz gegen den sich aus dem Osten ausbreitenden Bolschewismus war in diesem Bereich eine sekundäre aber dennoch reale Überlegung, vor allem als Russland 1919 gegen Polen in den Krieg zog. In Berlin und dem übrigen Deutschland war der Kampf gegen dem Bolschewismus in all seinen Formen jedoch die eigentliche, selbsterklärte Daseinsberechtigung der Freikorps. [Read, S. 45 – 46]

Groener hatte bei seinem Deal mit Ebert empfohlen, die politische Überwachung der Streitkräfte dem ehemaligen SPD-Abgeordneten Gustav Noske zu übertragen, dem Mann, der während des Matrosenaufstandes in Kiel gezeigt hatte, dass er mit einem Mob fertig werden konnte. Es war höchste Zeit, Truppen zu organisieren, die dem Ebert’schen Rat der Volkskommissare gegenüber loyal waren, denn die Spartakisten mobilisierten bereits ihre eigenen Truppen in Erwartung der ersten Sitzung des Reichsrätekongresses der Arbeiter- und Soldatenräte. Dieses Gremium, dem Vertreter aus allen Teilen des Landes angehörten, sollte sich ab Montag, dem 16. Dezember, im Gebäude des preußischen Abgeordnetenhauses treffen. Zur Unterstützung der mit Sicherheit erwarteten sozialistischen Revolution organisierten Liebknecht und Luxemburg jede Menge Demonstrationen am selben Tag auf dem Platz vor dem Gebäude und als dies die Delegierten (in denen die Revolutionäre deutlich in der Minderheit waren) nicht sonderlich beeindruckte, schickte er drei Tage später ein Sturmkommando mit der Anweisung, das Gebäude zu besetzen und die Abgeordneten als Geiseln zu nehmen; ein Plan, der gerade noch von einer lokalen Wachtruppe Noskes vereitelt wurde.

Die Beschlüsse des Kongresses, der möglichst bald Ordnung schaffen wollte, enttäuschten die radikale Linke sehr; denn nicht nur weigerten sich die Delegierten, “alle Macht den Sowjets” zu übertragen, wie es die Spartakisten forderten, sondern bestätigten auch die Legitimität der Regierung von Ebert und beschlossen, die Ratsherrschaft langsam abzubauen, um alle weiteren Legislative- und Exekutivbefugnisse der neuen Nationalversammlung zu übertragen, deren Wahl für den 19. Januar 1919, vier Wochen in der Zukunft, festgelegt wurde. [Read, S. 47]

Diese Rückschläge setzten den Spartakisten zumindest einen Stichtag, denn sie mussten wenn, dann vor dem Wahltag die Macht ergreifen – die Wahl gewinnen konnten sie nicht. Am 23. Dezember stürmte die Volksmarinedivision, unter dem Vorwand, sich einen Weihnachtsbonus sichern zu wollen, das Arsenal (das militärische Hauptquartier) und das Kanzleramt, wo sie das Kabinett verhafteten. In dieser Situation „entschied Ebert, dass es an der Zeit war, Groeners Versprechen einzufordern.“ [Read, S. 48]

Das Hauptquartier der Armee in Potsdam schickte, wie vereinbart, ein Bataillon Truppen, und am Morgen des 24. Dezember entwickelte sich eine seltsame Mischung aus militärischem Kampf und Propagandawettbewerben um den Königspalast und die Ställe herum. Die Kämpfe waren hart, aber nur sporadisch und häufig unterbrochen durch Verhandlungen oder von Liebknechts revolutionäre Ermunterungen, die sich an die Tausende von Zuschauern richteten, die, nachdem sie ein bisschen das Gemenge beobachtet hatten, zum Weihnachtsmarkt oder zum nahegelegenen Einkaufsviertel weitergingen, wo das Geschäft wie üblich lief. Es war vielleicht dieser Mangel an Aufmerksamkeit, der dazu führte, dass die Schlacht am frühen Nachmittag durch das Verschwinden der Truppen beider Seiten in den Weihnachtsmassen endete. Ein wütender Groener entschied jedoch, dass er beim nächsten Mal verlässlichere Truppen brauchte, und benachrichtigte die Anführer der aufstrebenden Freikorps. [Read, S. 48]

Der Weihnachtstag brachte die regelmäßige Demonstration der Spartakisten, deren Aktivisten das Gebäude besetzten, in dem die SPD-eigene Zeitung „Vorwärts“ gedruckt wurde, und ihre eigene Weihnachtsausgabe erstellten – natürlich auf rotem Papier. Nach dem Eintreffen der Polizei und der Vertreibung der Besatzer gab die Zeitung alle sozialistische Solidarität auf, die sie bis zu diesem Tag gezeigt hatte, und orientierte sich ab jetzt entschlossen anti-spartakistisch.

Davon unbeeindruckt beendete Liebknecht das Jahr mit einer Einladung von rund hundert Spartakisten zu einer am 29. Dezember beginnenden Konferenz im Festsaal des preußischen Abgeordnetenhauses. Nach zwei Tagen voll zänkischer Auseinandersetzungen stimmten sie für einen vollständigen Bruch mit der Sozialdemokratie und dafür, sich eindeutig an Sowjetrussland auszurichten, indem sie sich in Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) umbenannten.

Unter den Gästen befand sich auch Karl Radek, der nach Deutschland geschmuggelt worden war, um den Bürgerkrieg zu schüren, der ein so wesentlicher Bestandteil einer bolschewistischen Revolution war. In einer langen Rede bestritt er, dass das Regime in Russland ein Terrorregime sei, und behauptete, der Bürgerkrieg sei nicht so schlimm, wie manchmal gedacht wurde: ein ganzes Jahr Bürgerkrieg in Russland habe weniger Menschen getötet und weniger Eigentum zerstört als ein einzelner Tag des internationalen (kapitalistischen) Krieges.

Was wir jetzt in Russland in die Tat umsetzen“, erklärte er, “ist nichts anderes als die große, unverfälschte Lehre des deutschen Kommunismus. Einst wird der Rat der Volkskommissare Europas in Berlin tagen. Spartakus wird siegen. Er ist dazu bestimmt, die Macht in Deutschland zu ergreifen.“ Liebknecht antwortete begeistert mit einem Aufruf zu den Waffen:„ Wir wollen keine Limonadenrevolution. Wir müssen die Internationalisierung des Bürgerkriegs beschleunigen.“ [Read, S.49]

Die Spione Groeners und Eberts berichteten ihren Meistern umgehend über die Ergebnisse und über den Jahreswechsel bereiteten sich beide Seiten auf den großen Zusammenprall vor, den sie noch vor dem Wahltag am 19. Januar erwarteten.

Die anhaltende Feindschaft zwischen sozialdemokratischen, d.h. reformistischen und kommunistischen Parteien auf der ganzen Welt in den siebzig Jahren zwischen 1919 und 1989, war das Resultat dieser Spaltungen in Berlin 1918 und den Ereignissen, die kurz danach folgten. Von 1914 bis 1918 hatte die SPD das Ancien Régime unterstützt, mit Ausnahme von Liebknecht, indem sie Wilhelms Kriegskredite im Reichstag genehmigten, während sich eine außerparlamentarische Oppositionsbewegung von Pazifisten in der Mutterpartei formte, wuchs und sich schließlich 1917 lossagte. Dieser Ableger, die USPD, appellierte an die internationale Solidarität der Arbeiterklasse, die Krieg unmöglich machen konnte, wenn sie sich weigerte, Rüstungsgüter herzustellen, und sie war die einzige politische Fraktion in Deutschland, die sich öffentlich gegen den Krieg aussprach.

Sie beschuldigten die Moderaten des Verrats; dass sie durch kapitalistische Interessen korrumpiert worden waren und als Ebert die reaktionären Freikorps zu Hilfe rief, wurde er des Brudermordes angeklagt und des Verrats am Erbe von Karl Marx und Friedrich Engels. Von diesem Tag an betrachteten kommunistische Parteien die Sozialdemokraten als ihren schlimmsten Feind: während der Widerstand der Kapitalisten zu erwarten war und verstanden werden konnte, hatte das Gift der Mäßigung die Solidarität der Bruderschaft der Arbeiter zerstört. In Erinnerung an die Praktiken der Jakobiner konnte es für die  Verräter an der Revolution keine Gnade geben.

Währenddessen festigte die Regierung der Bayerischen Sozialistischen Republik ihre lokale Macht und begann, die bayerische Nachkriegsökonomie zu organisieren. Es war vielleicht die größte Überraschung für Ministerpräsident Eisner, dass die reguläre bayerische Armee ohne großen Aufstand kooperierte; während das Militär das Chaos der Räteherrschaft offensichtlich ablehnte, erkannte die Truppe, dass Ordnung die Forderung des Tages war, und der ranghöchste Offizier, General Max Freiherr von Speidel, appellierte an die Truppen, “dem Volksstaat zu dienen.” (Joachimsthaler, S. 183) Am 13. November traf König Ludwigs schriftliche Abdankungserklärung im Rat ein und am selben Tag wurde Albert Rosshaupter (SPD) als erster ziviler Verteidigungsminister in der Geschichte des Landes vereidigt.

Die Bavaria auf der Theresienwiese

So entwickelte sich die bayerische Sowjetrepublik weit weniger revolutionär, als sie begonnen hatte. Zu einem gewissen Grad sah sich Eisners Regierung nur als provisorische Verwaltung an und verzögerte entscheidende Reformen für die Zeit nach den Wahlen vom 12. Januar, durch die sie hofften, eine parlamentarische Mehrheit und damit ein unstrittiges Mandat für die Schaffung eines echten sozialistischen Staates zu bekommen. In seiner öffentlichen Ansprache vom 15. Dezember konnte Eisner revolutionäre Rhetorik weitgehend vermeiden und die wesentliche Forderung nach Sozialisierung der Industrie wurde auf später verschoben. Zwar wurde die Arbeitslosenhilfe verbessert und der achtstündige Arbeitstag eingeführt, aber es wurde nichts unternommen, um die Angestellten und Funktionäre des Staates zu ersetzen, die das Land weiterhin auf altmodische, monarchistische Weise verwalteten. Noch wurde die Wirtschaft reformiert: Industrie, Banken und Versicherungen funktionierten weiter wie gewohnt. Die einzige bemerkenswerte Änderung war die Säkularisierung der Schulen durch die Abschaffung der Aufsichtsrechte der katholischen Kirche.

In einem waren sich alle Münchner einig …

Die Wahl endete in einer Katastrophe für die radikalen Sozialisten. Gewinner wurden die Bayerische Volkspartei, die Nachfolgerin der katholischen Zentrumspartei (BVP, 35 %, 66 Sitze) und die SPD (33 %, 61 Sitze). Ergebnisse mehr oder weniger im erwarteten Bereich erzielten die Liberalen der DVP (DPP in der Pfalz) mit 14 % und 25 Sitzen und die rechte Deutsche Volkspartei [DNVP, als Mittelpartei in der Pfalz] mit 6 % der Stimmen und 9 Sitzen.

Die Verlierer waren die Parteien der Revolution. Der bayerische Bauernbund, der den Sozialrevolutionären Russlands ähnelte, erhielt 9 % der Stimmen und 16 Sitze, aber die Ergebnisse der USPD waren erbärmlich: nur 2,5 % und drei Sitze. Eisner war jedoch nicht leicht zu überzeugen, seine Regierungsverantwortung aufzugeben, da er, wie er sagte, immer noch Präsident des Soldaten-, Arbeiter- und Bauernrates war, den er als die wahre Regierung des sozialistischen Bayern betrachtete. Leider hatte er seine Popularität in den letzten Wochen nicht gerade gesteigert.

Hauptbahnhof mit Vorplatz, ca. 1905

Jeder hatte einen Grund, ihn zu hassen – man sagte, er sei ein galizischer Jude, ein Berliner, ein Kaffeehaus-Intellektueller, ein linker Sozialist, ein Verräter des wahren Sozialismus, zu radikal, nicht radikal genug, er war ineffektiv oder inkompetent –  die Liste schien endlos. Vor allem wurde er für den Zusammenbruch der Wirtschaft verantwortlich gemacht – Bayern war so gut wie bankrott und litt, wie viele andere Orte auch, an einem riesigen Arbeitsplatzverlust, da die Munitionsproduktion eingestellt worden war und die Soldaten auf der Straße standen. Trotzdem hatte Eisner die Ausgaben für die Arbeitslosenhilfe erheblich erhöht.

Als er an der ersten Nachkriegskonferenz der Zweiten Sozialistischen Internationale in Bern teilnahm, gelang es Eisner schließlich, praktisch jeden in Bayern zu verärgern. Als einziger amtierender Regierungschef wurde er mit großem Respekt und mit einiger Ehrfurcht behandelt, vor allem, als er die deutsche Verantwortung für den Ersten Weltkrieg öffentlich anerkannte und Wilhelm Hohenzollern, den früheren Kaiser, als den Mann benannte, der am meisten an dem viereinhalb Jahre lang dauernden Blutbad schuld war. Er kritisierte ruhig und bestimmt alle Aspekte des Preußentums, verurteilte die harte Behandlung Deutschlands von französischen Zivilisten und alliierten Kriegsgefangenen, und appellierte an deutsche Gefangene, beim Wiederaufbau der verwüsteten Regionen Frankreichs und Belgiens mitzuhelfen. All das wurde zwar von den Genossen in Bern gut aufgenommen, aber in München galt es als Verrat und er wurde als Verräter dargestellt. [Read, S. 113 – 114]

In Bayern weitete sich die Spaltung zwischen Revolutionären und Reformern aus, und SPD-Chef Erhard Auer nutzte seine Autorität als Eisners Stellvertreter und des Chefs Abwesenheit, um den bayerischen Landtag zu einer konstituierende Sitzung für den 21. Februar 1919 einzuberufen, in der eine neue Regierung mit parlamentarischer Mehrheit gewählt werden sollte.

In Erwartung einer Gegenreaktion des radikalen Flügels hatte Auer Max Levien, den Vorsitzenden der KPD in Schwabing, verhaften lassen und Verteidigungsminister Albert Roßhaupter aufgefordert, alles zu tun, um eine quasi-militärische Heimatverteidigung zu bilden, die der künftigen Regierung treu ergeben sein sollte – erwartet wurde die eine oder andere Koalition der SPD mit den Katholiken und Liberalen, welche leicht die Unterstützung von 70 % oder mehr der Landtagsabgeordneten genießen würde.

Die Linke schlug am 15. Februar mit der Ad-hoc-Gründung des “Revolutionären Arbeiterrates” zurück, einem exzentrischen Gremium aus den radikalsten Mitgliedern von USPD, Spartakisten und Bolschewiki unter der Führung der Anarchisten Gustav Landauer und Erich Mühsam. Die erste Resolution der ehrenwerten Körperschaft rief für den nächsten Tag zu einer Massendemonstration von Arbeitern und Soldaten auf der Theresienwiese auf und es ist ziemlich wahrscheinlich, dass der Gefreite Adolf Hitler an diesem Tag in den Reihen der Sozialisten mitmarschierte. Die Order des Tages für sein 2. Infanterieregiment lautete:

Morgen, am 16. Februar 1919, findet eine Demonstration der gesamten Arbeiterschaft und aller Einheiten der Garnison statt. Das Regiment, einschließlich des Demobilisierungsbataillons, wird um 12.15 Uhr auf dem Kasernenplatz des 1. Bataillons auf dem Oberwiesenfeld antreten. Die Soldatenräte werden die Truppen kontrollieren, um Disziplin und Ordnung zu gewährleisten. Die Kompaniekommandeure werden sicherstellen, dass das gesamte dienstfreie Personal an der Versammlung teilnimmt.“ [Joachimsthaler, p. 197 – 198]

Pro-Eisner Demonstration am 16. Februar 1919

So marschierten am 16. Februar gegen Mittag etwa 10.000 Demonstranten durch die Straßen Münchens. Eisner (zurück aus Bern), Mühsam und Levien, der aus dem Gefängnis entlassen worden war, wandten sich an die Öffentlichkeit mit der Forderung, eine Sowjetrepublik, also Räterepublik, zu gründen. Es stellte sich heraus, dass nur wenige Münchner diesen Wunsch teilten, aber nur drei Tage später gab Eisner eine trotzige Geste ab. In der nächsten (und letzten) Sitzung des Bayerischen Rätekongresses forderte er die zweite Revolution.

Die zweite Revolution wird sich nicht in Plünderungen und Straßenkämpfen ergehen. Die neue Revolution wird eine Zusammenkunft der Massen aus Stadt und Land werden, um das zu vollenden, was die erste Revolution begonnen hat. … Die bürgerliche Mehrheit hat nun die Chance, bürgerliche Politik umzusetzen. Wir werden sehen, ob sie zur Regierung fähig sind. In der Zwischenzeit sollten die Räte ihre eigene Aufgabe erfüllen: die neue Demokratie aufzubauen. Dann wird vielleicht auch der neue Geist in Bayern ankommen. Morgen beginnt der Landtag – morgen sollten auch die Aktivitäten der Räte neu beginnen. Dann werden wir sehen, was die Kraft und Vitalität einer durch den Tod geweihten Gemeinschaft ausrichten kann.“ [Read, S. 115]

Eisner sicherte sich dann eine Erklärung der Versammlung zu, dass sie sich nicht auflösen oder ihre Autorität auf andere Weise abgeben würden, es sei denn, die künftige bayerische Verfassung hätte ihre Vorrechte ausdrücklich anerkannt. Dies war ein offensichtlicher Versuch, die Bildung der parlamentarischen Regierung zu blockieren, die der Landtag am nächsten Tag konstituieren sollte. Wegen seiner kryptischen Andeutungen bezüglich einer zweiten Revolution forderte das Kabinett später Eisners Rücktritt.

Die größten Schwierigkeiten hatte Eisner bei der Sicherstellung der fundamentalen Dienstleistungen und der Zusammenarbeit mit dem Land, insbesondere der regelmäßigen Versorgung mit Lebensmitteln. Er wurde von Mitgliedern seines eigenen Kabinetts wegen organisatorischer Mängel kritisiert – einer seiner Minister sagte zu ihm: “Sie sind ein Anarchist … Sie sind kein Staatsmann, Sie sind ein Dummkopf … Wir werden durch schlechtes Management ruiniert.” [Richard J. Evans, The Coming of the Third Reich, Penguin, New York, 2003, ISBN 0-14-303469-3, S. 158 ff.]

Nachdem Kurt Eisner klar wurde, dass er die Unterstützung des Parlaments verloren hatte, verfasste  er am Morgen des 21. Februar in seinem Büro eine Rücktrittserklärung und eine kurze begleitende Rede und ging zu Fuß Richtung Landtag, um dort seine Botschaft anlässlich der Eröffnungssitzung zu überbringen. Er entließ seine Adjutanten und die beiden bewaffneten Leibwächter und machte sich alleine auf den Weg.

Auf dem Weg zum Rücktritt

Typisch für ihn weigerte er sich, einen anderen Weg als seinen normalen zu gehen, und wies die Bedenken seiner Helfer wegen seiner Sicherheit mit einem Witz ab: “Sie können mich nur einmal totschießen.” Als er um eine Ecke in die Promenadenstraße bog, lief hinter ihm ein junger Mann in einem Trenchcoat hoch, zog eine Pistole heraus und schoss ihn aus nächster Nähe in Kopf und Rücken. Der erste Schuss zerschmetterte seinen Schädel, der zweite durchbohrte eine Lunge. Er fiel tot zu Boden, inmitten einer sich ausbreitenden Blutlache.

Der Attentäter war Graf Anton von Arco auf Valley, ein kleiner Aristokrat, der während des Krieges als Leutnant der bayerischen Kavallerie gedient hatte und der, wie die meisten zurückkehrenden Offiziere, die Erniedrigung erlitten hatte, dass Revolutionäre auf der Straße die Rangabzeichen von seiner Uniform gerissen hatten. Sein genauer Grund, Eisner zu töten, wurde nie klar: Er war voller Verbitterung, weil seine Mitgliedschaft in der ultrarechten Thule-Gesellschaft abgelehnt wurde, weil seine Mutter Jüdin war, seine Freundin ihn als Schwächling verhöhnt hatte und er die Revolution hasste. Warum er Eisner jedoch genau in dem Moment, in dem er zurücktreten wollte, hätte töten wollen, bleibt ein Rätsel. [Read, p. 115 – 116] (In den letzten Jahren wurden Hinweise darauf gefunden, dass möglicherweise eine Verschwörung am Werk war, siehe den deutschen Wiki-Eintrag.)

Das war nur der Anfang des Chaos. Arco wurde niedergeschossen, aber durch eine heroische Operation, ausgeführt von Professor Ferdinand Sauerbruch, dem zu dieser Zeit bedeutendsten Chirurgen der Welt, gerettet. Als die Nachricht den Landtag während seiner Eröffnungssitzung erreichte, wurde diese vertagt, und Erhard Auer, Leiter der bayerischen SPD, dessen einstige Freundschaft mit Eisner Jahrzehnte zurückging, begann eine improvisierte Laudatio. Er hatte nicht mehr als fünf Minuten gesprochen, als ein Mitglied des bereits oben genannten Revolutionären Arbeiterrates, der Metzger Alois Lindner, in das Plenum einbrach, ein Gewehr, das er unter seinem Mantel versteckt hatte, herausholte und Auer aus aller Nähe in die Brust schoss. Dann eröffnete er das Feuer auf die Delegierten der BVP und entkam ungehindert, nachdem er einen Wachmann, der ihn zu entwaffnen suchte, ebenfalls erschossen hatte. Er wurde von einem zweiten Schützen in der Galerie ersetzt, der auf die gleichen Abgeordneten zielte, einen Menschen tötete und ein paar andere verletzte. Die Aufregung war groß und ein Hauch von Südamerika hing über dem ehrwürdigen Gebäude des Landtags. [Read, p. 116]

Eisner – nur wenige Stunden vor seinem Tod noch äußerst unbeliebt – wurde sofort als Heiliger der Sozialisten kanonisiert und da der Landtag im Moment ausgeschaltet war, übernahmen die Räte rasch Legislative und Exekutive, verhängten das Kriegsrecht und erklärten einen dreitägigen Generalstreik, der – wie Anthony Read feststellte – „zweckmäßigerweise genau über das Wochenende fiel“, (40) sowie eine Ausgangssperre ab 19 Uhr. Am darauffolgenden Morgen wählte eine schnell einberufene Ratssitzung einen neuen obersten Ausschuss, den „Zentralrat“. Seine elf Mitglieder repräsentierten eine bunte Mischung verschiedener sozialistischer Überzeugungen, von reformistisch bis hin zu revolutionär. Er besaß auch ländliche, nicht nur städtische Vertreter, und sollte nicht nur München, sondern ganz Bayern regieren. Der Vorsitz der Kommission und damit das Amt des quasi-Ministerpräsidenten fiel dem 28-jährigen Lehrer Ernst Niekisch zu, der, als linkes SPD-Mitglied, ein guter Kompromisskandidat für die Position war.

Niekisch bemühte sich um Unterstützung, indem er an die sozialistische Einheit appellierte und die Einberufung eines Kongresses der Bayerischen Räte forderte, der die zukünftige Form der Regierung entscheiden sollte: entweder parlamentarisch oder durch Räte, d.h.  als eine Sowjetrepublik. Dieser Kongress wurde am 25. Februar eröffnet, musste sich aber schon am nächsten Tag anlässlich des Begräbnisses von Kurt Eisner unverrichteter Dinge vertagen.

Die Trauerfeier für den am 21.2.1919 von Graf Arco ermordeten Bayerischen Ministerpräsidenten Kurt Eisner gestaltete sich zu einer gewaltigen Demonstration der Münchener Arbeiterschaft.

Was auch immer die Münchner über den lebenden Eisner gedacht hatten, sein Begräbnis zog 100.000 Trauergäste an, die dem Sarg folgten, als dieser in einer ehemaligen königlichen Kutsche feierlich durch die Straßen der Stadt gefahren wurde. Am nächsten Tag nutzte die radikale Linke das öffentliche Interesse an Eisner, um den Kongress dazu aufzurufen, die „Zweite Revolution“ zu erklären und die Gründung einer Sowjetrepublik anzukündigen. Als der Antrag mit großer Mehrheit abgelehnt wurde, verließen Spartakisten, USPD und Anarchisten den Zentralrat, um ihre segensreichen politischen Veränderungen alleine vorzubereiten. Seiner Führung beraubt, zerstreute sich der Kongress und ein paar Wochen lang beruhigte sich Bayern nach so viel Unruhe.

Die Erinnerung an Kurt Eisner lebt jedoch in dem von ihm gegründeten Freistaat weiter – drei Denkmäler für ihn befinden sich in der Münchner Innenstadt und sein Grab auf dem Ostfriedhof.

Denkmal in der Kardinal-Faulhaber-Straße, dem Ort Eisners Ermordung

Leider sollte es bald noch schlimmer kommen für München.

(© John Vincent Palatine 2015/19)

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