Henrique Bernardelli – Messalina

Sie ist der Inbegriff der lasterhaften Kaiserin und wohl nicht zu Unrecht – die Liste ihrer Opfer ist lang – länger noch die Liste ihrer Liebhaber … Valeria Messalina (AD 17-20 – 48) war das oft zitierte Original des durchtriebenen römischen Mädchens und bleibt bis heute in Gemälden, Skulpturen, Bühnenproduktionen, Filmen und Romanen verewigt. Wie im Fall von anderen skandalösen Frauen der römischen Welt – Julia (eigener Beitrag), Theodora (eigener Beitrag) und Kleopatra (eigener Beitrag), ist es schwer zu sagen , wie viel in den historischen Berichten reine Beschimpfung ist – Verleumdung aus politischen Gründen – und wie viel wahr ist, oder zumindest wahrscheinlich.

Agrippina

Das Grundproblem in ihrer literarischen Betrachtung ist, dass die Zeugnisse von Juvenal, Tacitus und Sueton erst viele Jahre nach den Geschehnissen geschrieben wurden und das in einem Klima, in dem die Verunglimpfung der Julisch-Claudischen Dynastie sowieso en vogue war. Cassius Dio schrieb erst über einhundert Jahre später. Die Hauptquelle hinter den Anschuldigungen war wahrscheinlich ursprünglich Agrippina die Jüngere, die Messalina auf dem Thron und in das Schlafzimmer des Kaisers folgte. Es bleibt eine offene Frage, ob Messalina nun schlimmer war als ihre Zeitgenossen oder nicht – die Damen der Julio-Claudian Dynastien waren im Allgemeinen nicht für Keuschheit und Zurückhaltung bekannt. Agrippina stand später im Verdacht, unter Mithilfe der bekannten Giftmischerin Lucusta sowohl ihren Mann und Kaiser Claudius als auch Messalina’s Sohn Britannicus vergiftet zu haben, und wurde schließlich von ihrem Sohn Nero umgebracht.

Lucusta testet in Neros Gegenwart das für Britannicus vorbereitete Gift. Joseph-Noël Sylvestre, 1876.

Der Autor neigt dazu,  die politischen (in ihrem Fall, mörderischen) Vorfälle als wahrscheinlicher zu beurteilen als die sexuellen Anschuldigungen – sexuelle Verleumdungen waren im antiken römischen politischen Diskurs das bevorzugte Mittel der Wahl. Vorwürfe des sexuellen Fehlverhaltens und insbesondere des Ehebruchs waren in der Tat gut geeignete politische Waffen – insbesondere wenn wir das in vielen Gesetzen offiziell postulierte Bild der römischen Sitten – z.B. die durch des Imperators Augustus verordnete Lex Iulia de adulteriis – mit der römischen Wirklichkeit vergleichen, die in dieser Hinsicht eher einem gigantischen Bordell glich – Prostitution war im Reich immer legal und Sex mit Sklaven war im wesentlichen gesetzlich ungeregelt und absolut üblich.

Messalina von Eugène Cyrille Brunet

Den antiken Berichten zufolge war sie eine wahre Schönheit. Ihre Verbindungen zur kaiserlichen Familie waren mannigfaltig und intim. Ihre Familie, die gens Valeria, war einer der ältesten und geehrtesten Patrizierfamilien von Rom. Sie war die Tochter von Domitia Lepida, einer Großnichte von Augustus und deren Cousins ersten Grades, des Senators Marcus Valerius Messalla Barbatus.

When Claudius is away, Messalina will play – von A. Pigma

Wir wissen nicht viel von ihrem Leben, bevor sie im Jahre AD 38 die dritte Frau des Thronfolgers Claudius wurde – der ihr eigener Großcousin war. Wenn man ein wenig über diese ganze Julio-Claudische Dynastie nachliest, kann man sehr leicht den Eindruck bekommen, dass es sich um einen sehr inzestuösen Clan handelte – und dies dürfte nicht weit von der Wahrheit entfernt sein. Sie gebar Claudius zwei Kinder, Octavia (später Neros Frau) und Britannicus . Als Caligula im Jahre AD 41 ermordet wurde, folgte ihr Mann ihm als Kaiser nach und sie fand sich  als Kaiserin wieder.

Messalina mit Britannicus (Louvre)

Sie erkannte früh, dass Claudius’ Adoptivsohn Nero ein Hauptkonkurrent für ihren Sohn Britannicus in der Thronfolge war, obwohl wir uns in diesem Zusammenhang erinnern müssen, dass die Erbfolge nicht gesetzlich festgelegt war und Adoption sie jederzeit ändern konnte. Was sie daraus folgerte und tat, ist jedoch weitgehend Vermutung – basierend auf den etwas zweifelhaften historischen Berichten.


Hans Makarts Gemälde von Charlotte Wolter in Adolf Wilbrandts Tragödie “Arria und Messalina.”

Die Historiker beschuldigen sie in dreifacher Hinsicht: dass sie sich in die Thronfolge einmischte, um ihren Sohn Britannicus bzw. ihre Liebhaber darin vorzurücken; dass sie sich gegen verschiedene Senatoren wegen finanziellen Gewinnes verschwor und, wie es scheint, auch aus sexuellen Motiven, und dass sie ehebrecherisch und promiskuitiv war – Verbrechen, für die die normale Sanktion in Exil bestand – außer für Kaiserinnen, die man schlechterdings nicht leben lassen konnte. “Adulterium” bzw. “Stuprum” – die Schande – waren in Rom Verbrechen nur der Frau – man ging wohl davon aus dass der männliche “Latin lover” etwaigen dargebotenen Reizen nicht widerstehen konnte.

Sie wird für die Hinrichtungen bzw. Selbstmorde von Claudius’ Nichten Julia Livilla und Julia Livia verantwortlich gemacht, die der prominenten Senatoren Appius Silanus und Valerius Asiaticus  – der erstere war in der Tat mit Messalinas Mutter Domitia Lepida verheiratet, aber offenbar von der Tochter ersehnt, der er sich verweigert hatte; der Vergiftung des Marcus Vinicius (Konsul AD 30), dem nachgesagt wurde, er habe ihren Reizen ebenfalls widerstanden – und für die Exekution des Freigelassenen Polybius, Claudius’ Privatsekretär.

Julia Livilla scheint gegen AD 39 an einer Verschwörung ihren Bruder Caligula zu stürzen und ihn durch Marcus Aemilius Lepidus zu ersetzen, der sowohl ihrer als auch ihrer älteren Schwester Agrippinas Liebhaber war, beteiligt gewesen zu sein. Sie wurde mit Verbannung bestraft, kam aber nach Caligulas Ermordung zurück, nur um wenig später in Schwierigkeiten mit Messalina zu geraten. Sie wurde von Claudius (der auch ihr Onkel väterlicherseits war) des Ehebruchs mit Seneca dem Jüngeren beschuldigt, wiederum verbannt und anscheinend gegen 42 AD in seinem Auftrag zu Tode gehungert.

Julia Livia, die Enkelin des Tiberius , fiel auf die gleiche Weise offensichtlich falschen Anschuldigungen von Schamlosigkeit und Ehebruch zum Opfer; im Auftrag von Messalina von ihren Palastdienern, meist Freigelassenen, Claudius’ Ohren zugetragen und sie wurde etwa zur gleichen Zeit wie Livilla exekutiert. In beiden Fällen schien es keine Beweise für die angeblichen Verbrechen gegeben zu haben und keine offiziellen Untersuchungen wurden durchgeführt.

Valeria Messalina - painting by Joaquin Sorolla
Valeria Messalina – Gemälde von Joaquin Sorolla

Der Fall von Appius Silanus war anders gelagert. Es scheint, dass Messalina den hochgeehrten Senator, der, wie vorher bemerkt, mit ihrer Mutter Domitia Lepida verheiratet war, für sich selbst begehrte. Auf seine Weigerungen hin berichteten Messalina und der zuvor erwähnte Freigelassene Narcissus dem Kaiser von einem Mordkomplott, welches sie in ihren Träumen gesehen zu haben behaupteten, und der arme Mann wurde prompt wegen Hochverrats hingerichtet.

Nicht Lust, sondern Gier scheint die treibende Kraft in Messalinas Verfolgung von Valerius Asiaticus gewesen zu sein. Er war einer der reichsten und prominentesten Männer in Rom, war Konsul nicht nur einmal , sondern zweimal gewesen, und hatte die berühmten Gärten des legendären Lucius Licinius Lucullus gekauft und ausgebaut . Es scheint, dass Messalina den berüchtigten Senator Publius Suillius Rufus (Claudius favorisierten Ankläger) dazu brachte – mit welchen Mitteln genau, wissen wir nicht, aber können es uns vorstellen – Asiaticus verschiedener Kapitalverbrechen anzuklagen – zusammen mit der üblichen Verschwörung gegen den Staat auch wegen Ehebruchs mit Poppaea Sabina der Älteren, Mutter der aktuellen Kaiserin Poppaea Sabina. Er wurde wie üblich für schuldig befunden und beging AD 47 Selbstmord. Messalina erbte die Gärten, als sie Poppaea Sabina als Kaiserin nachfolgte.

Marcus Vinicius war nicht so leicht zu knacken. Er war ein hochdekorierter Offizier, zweimal Konsul gewesen, und offenbar über jeden Zweifel erhaben – also wurde er vergiftet. Über die Gründe für die Exekution des Polybius wissen wir nicht viel – der Klatsch behauptete, dass Messalina von ihm als Liebhaber ermüdet war und einen Sekretär für Claudius suchte, der mehr, äh, biegsam war – in ihren erfahrenen Händen.


Die Orgien von Messalina, von Federico Faruffini

Exekutionen wegen angeblicher Verbrechen gegen den Staat waren an der Tagesordnung in Rom, aber als sie sich vervielfachten, scheinen einige Senatoren, wohl aus Angst, das Schicksal von Silanus und Asiaticus zu teilen, ihre eigene Hetzkampagne begonnen zu haben. Ein paar saftige Skandale könnten die Position der Kaiserin vielleicht untergraben.

Messalina bei der Arbeit …

Gerüchte und Andeutungen von sexuellen Abenteuern waren üblich und so weit verbreitet in Rom wie an jedem anderen Ort, aber der Klatsch über die Orgien, die, so wurde berichtet, Messalina privat und nicht ganz so privat abzuhalten beschuldigt wurde, verbreitete sich in Windeseile wirklich überallhin. Die Geschichte, an die sich jeder am besten erinnert ist die des Wettbewerb in Bezug auf sexuelle Ausdauer, den Messalina angeblich mit der Prostituierten Scylla ausfocht, um herauszufinden, wer mehr Männer in vierundzwanzig Stunden befriedigen könne – welchen die Kaiserin mit einer Anzahl von fünfundzwanzig Liebhabern für sich entschied – wie Plinius der Ältere in der Naturalis Historia berichtet:

“Messalina, the wife of Claudius Caesar, thinking this a palm quite worthy of an empress, selected, for the purpose of deciding the question, one of the most notorious of the women who followed the profession of a hired prostitute; and the empress outdid her, after continuous intercourse, night and day, at the twenty-fifth embrace.” [Chapter 83, n. 237]

Jan Stursa – Messalina
Gustave Surand – Der Wettbewerb zwischen Messalina und Scylla

Juvenal schrieb in seiner Satire VI wie folgt:

Then look at those who rival the Gods, and hear what Claudius endured. As soon as his wife perceived that her husband was asleep, this august harlot was shameless enough to prefer a common mat to the imperial couch. Assuming night-cowl, and attended by a single maid, she issued forth; then, having concealed her raven locks under a light-coloured peruque, she took her place in a brothel reeking with long-used coverlets. Entering an empty cell reserved for herself, she there took her stand, under the feigned name of Lycisca, her nipples bare and gilded, and exposed to view the womb that bore thee, O nobly-born Britannicus! Here she graciously received all comers, asking from each his fee; and when at length the keeper dismissed his girls, she remained to the very last before closing her cell, and with passion still raging hot within her went sorrowfully away. Then exhausted by men but unsatisfied, with soiled cheeks, and begrimed with the smoke of lamps, she took back to the imperial pillow all the odours of the stews.

Messalina, von Édouard Henri Avril

Was sie letztendlich den Hals gekostet zu haben scheint, war eine Party, die sie anlässlich der Abwesenheit ihres Mannes zu einem Besuch des Hafens und der Werften von Ostia, Zuhause abgehalten hatte – ein rauschendes Fest. Der Freigelassene (Tiberius Claudius) Narcissus, ein Sekretär und Domestike des Kaisers entschied, seinen Chef über die ausschweifende Angelegenheit zu informieren – er hatte in Bezug auf Britannicus, Messalinas Sohn, den er fürchtete, seine eigenen Gründe.

Wir haben Grund zu glauben, dass Narcissus sich in seinem Bericht einige Freiheiten mit den Tatsachen erlaubte, oder zumindest mit dem, was er beweisen konnte. Er teilte wohl seinem Arbeitgeber mit, dass seine Frau sich anlässlich der festlichen Gelegenheit mit einem gewissen Gaius Silius vermählt hatte, der zufällig als designierter Konsul für das folgende Jahr AD 49 vorgesehen war.


Die Heirat von Messalina und Gaius Silius

Ob es wahr ist oder nicht, wissen wir nicht. Wenn es stimmt, könnte es ein Anzeichen für einen Plan zu einem Umsturz und Silius’ Nachfolge als Kaiser gewesen sein – der dann Britannicus als Sohn adoptieren und zum Thronerben ernennen könnte.

Claudius zögerte. Auf dem Weg zurück nach Rom traf er seine Frau und Kinder in Begleitung der obersten Vestalin Vibidia, die in der Sache zu vermitteln suchte. Doch der Horizont trübte sich, als Claudius während der nachfolgenden Durchsuchung des Hauses von Silius eine Reihe von Julio-Claudischen Familienerbstücken fand, die seine großzügige Frau ihrem Liebhaber vermacht hatte.

Der Tod von Messalina von Georges Antoine Rochegrosse

Es scheint, dass einem immer noch zweifelnden Claudius der Wille fehlte, das zu tun, was im Interesse des Reiches notwendig war – also nahm es Narcissus auf sich, die Exekution der Kaiserin zu befehlen. Sie war mit ihrer Mutter in die Gärten des Lucullus geflohen und ihr wurde wohl die Chance auf einen ehrenvollen Selbstmord gegeben. Sie konnte es aber nicht über sich bringen, also rannte ein Soldat sein Schwert durch sie durch.

Der Tod von Messalina von Francesco Solimena

Auf die Nachricht vom Tod seiner Frau soll der Kaiser keine Reaktion gezeigt haben, sondern lediglich um etwas mehr Wein gebeten haben. Ein aufatmender Senat ordnete Damnatio memoriae an, die Entfernung ihres Namens von allen öffentlichen Plätzen. [Dass dies nicht funktionierte, wird schon dadurch bewiesen, dass wir praktisch die Namen aller Personen kennen, die der Damnatio unterzogen wurden.] Doch der Klatsch und die Geschichten blieben durch all die Jahrhunderte lang bestehen und machten sie unsterblich.

Ruhe sanft, altes Mädchen!

(© John Vincent Palatine 2019)

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